Der Azteken-Götze
Bewegungen wirkten müde und flügellahm. Fette Fliegen krochen an den schmutzigen Scheiben hoch. Dieses Hotel war eine Absteige.
Abe konnte in den Hof schauen. Dort türmte sich der Abfall, versteckt in große Kisten und Tonnen, die es aber nicht mehr schafften, die Massen zu fassen und deshalb überquollen.
Am Himmel stand der Ball der Sonne. Gnadenlos schickte er sein Licht auf die karge Erde. Was die Nacht gnädig verhüllt hatte, trat nun mit aller Deutlichkeit zum Vorschein. All dies gehörte zu einem Ort am Ende der Welt.
Allerdings schmeckte ihm der Kaffee gut. Er war heiß und nicht so dünn wie der sonstige Kaffee, den man in so vielen Ländern trinken konnte. Dann kam der Besitzer. Douglas hatte ihn zuvor noch nicht gesehen, jedenfalls war es nicht der Nachtportier. Ein ihm unbekannter Mann in weißer Hose und schwarzem Hemd näherte sich dem Tisch und verbeugte sich dort. »Sie wollen mich sprechen?«
Douglas nickte. Der Wirt paßte in diese Gegend. Er war ein Mischling, halb Asiat, halb Mexikaner. Sein Blick hatte etwas Lauerndes, und das Lächeln wirkte unecht. In seinem rechten Ohrläppchen klemmte ein künstlicher Diamant. Das Haar hatte er gescheitelt.
»Sicher«, meinte Abe.
»Hoffentlich wollen Sie sich nicht beschweren. Es täte mir wirklich sehr leid.«
»Nein, das nicht. Der Kaffee ist sehr gut.«
»Das freut mich.«
»Es geht mir mehr um eine Angestellte von Ihnen. Sie heißt Inez, und ich hätte gern mit ihr ein paar Worte gewechselt. Ist das möglich?«
Der Mann rückte einen Stuhl in Abes Nähe und ließ sich darauf nieder.
»Mein Name ist übrigens Pedro Wang.«
»Wie schön für Sie. Aber mir geht es um Inez.«
Wang drehte dem G-man die Handflächen zu. »Von welcher Inez sprechen Sie, Mister?«
»Die hierbei Ihnen angestellt ist.«
»Ich kenne keine Inez. Oder meinen Sie Samantha, die Ihnen auch den Kaffee gebracht hat?«
Douglas mußte sich ein Lachen verkneifen. Der Name Samantha paßte zu der Frau wie die Faust aufs Auge. »Nein, Mr. Wang, die meine ich bestimmt nicht.«
»Dann tut es mir leid.«
Douglas räusperte sich. »Mir aber nicht«, sagte er. »Ich habe Inez gestern nacht hier in Ihrem Hotel gesehen. Sie saß in der Halle und hat mich anschließend auf meinem Zimmer besucht.« Als Wang grinste, sprach Abe schnell weiter. »Das war nicht so, wie Sie es sich gedacht haben.«
»Natürlich nicht. Ich habe hier ja kein Bordell.«
Da war sich der G-man zwar nicht sicher, er gab allerdings keinen Kommentar. »Sie bleiben also dabei, daß Sie diese Inez nicht kennen?«
»Noch einmal: Ich kenne diese Inez nicht.«
»Und wenn ich sie Ihnen beschreibe?«
»Tun Sie das.«
Douglas machte sich die Mühe, erntete aber nur ein gleichgültiges Schulterzucken. Mittlerweile hatte erden Eindruck, als hätte sich zwischen ihm und dem Hotelbesitzer eine Wand aufgebaut, die nicht so leicht zu durchdringen war. Dieser Kerl wußte genau, was hier in Border Town lief, aber Douglas war ein Fremder, und auf die Fragen Fremder gab man hier keine Antwort.
»Kennen Sie denn eine Frau, die so aussieht, wie die von mir beschriebene?«
Wang tat, als müßte er überlegen. Er legte seine Stirn in Falten, knetete das Gesicht und schüttelte nach einer Weile den Kopf. Er bedauerte.
»Nein, eine derartige Person ist mir unbekannt. Ich weiß nicht, wo ich sie hinstecken soll. Sie wäre mir sicherlich aufgefallen. So wie Sie mir die Frau beschrieben haben, muß sie eine Schönheit gewesen sein. Finden Sie nicht auch?«
»Da könnten Sie recht haben.«
»Schade.« Er grinste. »Ich hätte sie gern kennengelernt. Welcher Mann schaut sich nicht gern eine schöne Frau an?« Er stemmte sich hoch.
»Aber jetzt werden Sie mich entschuldigen. Ich muß noch etwas tun. Ein Hotel zu leiten, bringt immer viel Arbeit mit sich.«
»Ja, gehen Sie nur.«
»Schönen Tag noch.« Der Besitzer verbeugte sich knapp und ließ den G-man allein.
Abe schaute ihm nach, überzeugt davon, daß ihn der Kerl angelogen hatte. In diesem Kaff hielten alle zusammen, da paßte ein Fremder, der Fragen stellte, wie Ketchup in die Blumenkohlsuppe. Hier jedenfalls war einiges nicht richtig, und Douglas spürte, daß es unter der Oberfläche brodelte.
In der Kanne befand sich noch ein Rest Kaffee. Er goß ihn in die Tasse und hörte wieder Schritte. Die Frau mit den fettigen Haaren hatte den Raum betreten. Als sie den Gast anschaute, überzog ihr Gesicht ein Grinsen.
»War der Kaffee gut?«
»Ja.«
»Ich kann Ihnen noch
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