Der Azteken-Götze
mit wütenden Bewegungen.
Er wollte den Verletzten aus dieser Zelle herausbringen. Sie kam ihm so verflucht würdelos vor, ein mieses Drecksloch, und erst jetzt wurde ihm richtig bewußt, daß er keinen Gefangenen gesehen hatte. Auch Pablo Sidda nicht.
Sie waren weg – alle. Man hatte sie befreit.
Manuel Costa war ziemlich schwer, und der G-man hatte Mühe, ihn auf den Arm zu nehmen.
Er trug ihn aus der Zelle wie ein Vater seinen Sohn, den er verletzt gefunden hatte.
Er schritt den Gang wieder zurück, um in das Büro zu kommen. Erdachte an den Überfall in der vergangenen Nacht, dem er entwischt war. Die Männer hier hatten das Glück nicht gehabt. Bis auf Manuel Costa waren alle verschwunden. Daß man ihn zurückgelassen hatte, mußte einen Grund gehabt haben. Vielleicht sollte ein bestimmtes Spiel in Gang gesetzt werden, von dem Abe keine Ahnung hatte.
Vorn im Büro stand auch eine Bank. Sie war dunkel gestrichen worden und lang genug, um den Verletzten aufnehmen zu können. Abe war klar, daß Costa von einem Arzt behandelt werden mußte. Bestimmt gab es in diesem Kaff auch einen, aber wer sagte ihm, daß dieser Mann nicht mit den Gegnern unter einer Decke steckte?
Zunächst mußte er dafür sorgen, daß Costa redete und ihm berichtete, was hier vorgefallen war. Er brauchte Wasser.
Douglas kannte sich aus. In einem Nebenraum fand er eine Waschgelegenheit. Sogar eine Dusche war vorhanden. In ihrem Becken bewegten sich dicke Käfer. Durch ein schmales Fenster schien die Sonne und heizte den Raum auf.
Douglas fand einen Becher, ließ das Wasser laufen, bis es einigermaßen kalt war, füllte den Becher und ging wieder zurück. Als er ihn an die Lippen des Verletzten setzte, hörte er dessen Stöhnen. Und als er ihn kippte und das Wasser in den Mund des Mannes hineinrann, da schluckte Costa automatisch.
Abe war über diese Reaktion froh. Er lächelte, er redete mit Costa und wußte selbst nicht genau, was er alles sagte. Jedenfalls trank sein Kollege, und das war wichtig. Costa leerte den Becher bis zum letzten Tropfen. Abe fragte ihn nach einem zweiten Schluck, doch der Verletzte lehnte ab. Er wollte nicht mehr trinken.
Der G-man holte sich einen Stuhl. Neben die Bank setzte er sich hin. Aus einem über einer Stuhllehne hängenden Jackett hatte er ein Kissen geformt und es unter den Kopf des Mannes gelegt.
So wartete er noch, tupfte auch das Gesicht des Mannes ab, dessen Haut durch kleine Wunden gezeichnet war und erkundigte sich, ob Costa sprechen konnte.
»Ja, ich… ich… kann…«
»Okay, wenn es nicht mehr geht, sag es mir.«
»Gut.«
»Was ist passiert, Manuel?«
Costa redete noch nicht. Er schaute erst gegen die Decke, als würde dort die Antwort stehen.
Der FBI-Agent faßte sich in Geduld, obwohl es ihm schwerfiel. Er mußte dem Verletzten einfach Zeit lassen, holte neues Wasser, gab ihm wieder zu trinken und erfuhr anschließend eine Geschichte, die so unglaublich klang, daß sie schon wieder wahr sein konnte…
***
In England hatte es bisher noch keinen Sommer gegeben, aber im Süden der Staaten erwischte es uns voll.
Wir konnten nur froh sein, daß unser Leihwagen mit einer Klimaanlage ausgerüstet worden war, die für kühle Luft sorgte, denn draußen breitete sich die Hölle aus.
Sie setzte sich aus grellem Licht, aus Staub und Hitze zusammen, und dieser flirrende, tanzende Schleier schwebte über der Straße wie eine nie abreißende Fahne.
Natürlich steckte uns der Flug noch in den Knochen, und wir lösten uns beim Fahren ab.
Wer als Tourist durch diese Gegend gondelte, konnte ihr vielleicht einen gewissen Reiz abgewinnen, die weiten, staubigen Ebenen, die kahlen Tafelberge dazwischen, die langen, mit staubigen Pflanzen bewachsenen Geröllhänge und weit im Süden hin und wieder ein breites, stumpf glänzendes Band – der Rio Grande, der seine schweren Fluten durch ein Flußbett wälzte.
Es war kein Vergnügen, und unsere Gedanken drehten sich um den Azteken-Götzen.
Wir hofften, daß es kein falscher Alarm war. Andererseits war ich nicht sonderlich erpicht darauf, dem Götzen gegenüberzustehen, die Warnungen meiner Freunde hatte ich nicht vergessen. Im Gegenteil, sie waren in der letzten Zeit immer stärker in mir hochgestiegen und nahmen noch zu, je mehr wir uns dem eigentlichen Ziel näherten. Es war wirklich die richtige Western-Kulisse, die ich aus alten John-Wayne-Filmen kannte. Mich hätte nicht gewundert, wenn plötzlich auf einem Hügelkamm eine Horde Apachen
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