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Der Bär

Der Bär

Titel: Der Bär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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Esther kam herein und setzte sich auf die Liege. Sie sah mich an und murmelte: »Der Tabak riecht so gut. Er erinnert mich an einen Onkel, der auch Pfeife rauchte. Was treibst du so?«
    »Nichts, buchstäblich nichts. Ich dachte gerade an den Geschichtsprofessor Ingbert, den ein paar Glatzen erwischten und der nicht begreift, warum das so passieren musste. Ich werde ihn morgen früh besuchen. Er soll nicht allein im Krankenhaus herumhängen.«
    »Du bist hier irgendwie glücklich, nicht wahr? Mit Rodenstock und Emma und so.«
    »Ja, das bin ich.«
    »Ich denke, ich muss so etwas suchen. Aber ich frage mich, wo.«
    »Es muss eine Landschaft sein, die du magst, in einem Land, das du magst. Letztlich bist du dort zu Hause, wo du Menschen hast, die du annimmst und die dich annehmen. Nichts anderes. Das zu finden, ist beschwerlich und hängt von der Zufälligkeit ab, mit der du Menschen triffst.«
    »Ich bin neidisch, Baumeister. Auf Rodenstock und auf Emma, auf dich und deine Welt hier.«
    »Das kenne ich. Aber ich muss dir sagen, dass ich lange gelatscht bin, um das zu erreichen.«
    »Ich habe Geld, ich könnte hier irgendwo ein Haus kaufen.«
    Sie wirkte zerbrechlich und in sich versunken, und ich dachte: Sie ist dabei, einen großen Fehler zu machen. »Ich habe keine Ahnung von deinen finanziellen Verhältnissen und will nur sagen ... «
    »Nimm mal an, dass ich über wachsende vier Millionen Dollar verfüge, plus Aktien, plus Immobilien.« Das klang so, als sage jemand: Ich habe ein Bankkonto mit vierunddreißig Mark zwanzig.
    »Mit anderen Worten: Du brauchst nie mehr im Leben zu arbeiten und ...«
    »Ich will aber arbeiten, Baumeister.«
    »Und was?«
    »Das weiß ich nicht, noch nicht. Ich will es rausfinden, ich muss das rausfinden. Ich werde ja irre bei diesem Leben im Hotel.«
    »Dann lass dir aber Zeit, bitte. Wenn du ohnehin Immobilien besitzt - vielleicht ist da etwas dabei, in dem du leben und arbeiten kannst.«
    »Ich sage dir das alles, weil ich deine und Rodenstocks und Emmas Hilfe brauche. Ich bin so ... ich bin so wurzellos.«
    »Ahasver?«
    »Ja, ja, der ewige Jude, die ewige Jüdin.« Sie lächelte kaum merklich.
    »Ich versuche dir die ganze Zeit klarzumachen, dass du Ruhe und Gelassenheit haben musst. Wenn du jetzt in aller Hast hier oder bei Emma an der Mosel ein Haus kaufst, dann ist das verdammt riskant.«
    »Ich werde warten, Baumeister, ich werde warten.« Sie sah mich an, nickte und ging hinaus. Da war ein deutlich neues Zeichen von Stolz, Würde und Selbstbewusstsein an ihr zu bemerken.
    Das Licht draußen war Eifellicht, Sommerabend mit Wolken in weiter Ferne, mit der Ahnung von Hitze und flirrendem Staub, mit verbranntem Gras, mit Menschen in träger Unterhaltung vor ihren Häusern, mit jungen Vätern, die den Grill bedienten, und jungen Frauen, die Bierflaschen anschleppten und überlegten, ob der Kartoffel- und Nudelsalat wohl reichen würde.
    Ingbert rief an und klang munter. »Ich habe gehört, Sie haben mich sozusagen gerächt. Dafür möchte ich danken, wenngleich ich mit dieser Art Gewalt überhaupt nicht umgehen kann.«
    »Wissen Sie schon, wer die beiden sind?«
    »Ja, das weiß ich. Hier waren eben Polizeibeamte, die mir erzählten, dass die beiden Schläger nicht von hier sind, sondern aus Dortmund. Sie arbeiten hier als Hilfsarbeiter auf dem Bau. Sie sind mit ziemlicher Sicherheit dafür bezahlt worden, aber zu beweisen ist das nicht, denn sie geben absolut nichts zu. Sie behaupten, ich hätte sie angerempelt, sie hätten sich nur gewehrt. Die Polizei macht mir keine große Hoffnung, dass bei den Nachforschungen irgendwelche brauchbaren Ergebnisse herauskommen. Haben Sie große ... ich meine, irgendwelche körperliche Schäden?«
    »Nichts«, beruhigte ich ihn. »Ich bin ein zäher Mensch, mir tut einiges weh, aber das wird vorübergehen. Und Sie, wann werden Sie entlassen?«
    »Im günstigsten Fall in einer Woche. Der Bruch ist so elend kompliziert. Aber ich nutze die Zeit, ich mache eine Dokumentation für Tessas Doktorarbeit.«
    »Und dann wird vermutlich geheiratet?«
    Eine Weile war es still.
    »Nein, Herr Baumeister, wirklich nicht. Ich weiß, dass Tessa das merkwürdigerweise gern möchte, aber ebenso merkwürdigerweise hat sie mich noch nicht direkt gefragt. Sie plant eben gern.«
    »Dann sollten Sie ihr das aber sagen«, schlug ich vorsichtig vor.
    »Oh, das habe ich bereits getan. Etwa ein dutzend Mal. Aber sie hört auf dem Ohr so schlecht.« Er lachte behaglich.

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