Der Bär
Köpfen zeigte, wobei er betonte, dass der rechte Kopf noch lebe, der linke jedoch vor vier Wochen gestorben sei. Der Körper des Affen, so versicherte der Mann, sei jedoch total normal und ganz lebendig. Es war natürlich so, dass dem armen Affen der präparierte Kopf eines zweiten Affen an die Seite des rechten Kopfes geklebt worden war. Jedermann wusste das, jedermann lachte, und der Vorführer wusste natürlich auch, dass wir das wussten. So geschieht ein kleiner Scherz mit der Einwilligung aller.
Nachdem ich zwei Stunden durch das Amüsierviertel gegangen bin und mindestens zehn sogenannte Damen abwehren musste, bin ich wieder in dieses stille Haus zurückgekehrt, um Dir diese Zeilen zu schreiben, damit Du etwas zu lesen hast, wenn Du hier auf mich wartest. Vergiss nur nicht den Codenamen Rose, mein Liebling - sonst bekommst Du weder die Passagekarte noch diesen Brief. Ich muss lachen, weshalb schreibt ein Mann solchen Unsinn? Denn wenn Du das hier lesen kannst, hast Du das Wort Rose ohnehin nicht vergessen.
Ich erinnere mich an ein paar Predigten unseres Hochwürdigsten Herrn Pfarrers zu Gerolstein. Erinnerst Du Dich an Ostern des vergangenen Jahres, als ein paar angeblich fragwürdige Damen in Gerolstein durchreisten und Station machten? Die Damen waren wirklich harmlos, nicht einmal geschminkt, nicht einmal sonderlich aufgeputzt. Aber sie reisten zusammen mit nur einem Herrn und waren doch vier! Und da witterte Monsignore gleich den Teufel persönlich, obwohl die Damen im Hotel bis auf das abendliche Essen in ihren Zimmern blieben, während der Begleiter uns erklärte, es handele sich um junge Frauen, die in Berlin bei Adelsfamilien als Hausdamen arbeiten sollten. Unser Pfarrer aber donnerte von der Kanzel: Wehret den Anfängen, wenn Ihr das Laster Einzug halten seht! Laster in Gerolstein, du lieber Himmel, die Leute wüssten nicht einmal, wie man das buchstabiert. Und erinnerst Du Dich, als Du in der Kneipe bedient hast, weil Dein Mann kein Geld anbrachte und ihr balde verhungert wärt, hättest Du diesen Dienst nicht verrichtet? Sie haben sich die Münder wund geredet. Sie haben gesagt: Sie ist eine Dirne, sie ist auf dem Weg, eine Dirne zu werden. Lieber Himmel, sie haben Dich nicht gekannt, aber die Männer haben Dich und Deinen Leib angestarrt. Und wie!
Warum ich das sage? Nun, ich sitze hier, die Talglichter brennen, die Flammen zittern leicht, es ist still, und ich denke an Deinen Leib. Ich denke, dass Du einen alten neuen Namen trägst und dass Du bald meine Frau sein wirst, meine wirklich geliebte Frau, für die ich da sein will. Ich weiß, dass Du fetzt errötest, ich weiß aber auch, dass Gott der Herr nichts dagegen haben kann, denn er hat Mann und Weib nun einmal so geschaffen. Ja, ich erinnere mich an Deinen wunderbaren, warmen Leib, der sich an mich schmiegt, der sich hingibt, weil Du mir vertraust, meine Frau bist. Und Du hast wohl dasselbe bei mir gespürt. Liebe ist ein wunderbares Ding, wenngleich wir Menschen immer vergeblich versuchen werden, es in Worte zu fassen. Worte sind wohl nicht hinreichend genug, und selbst die Worte der Dichter erscheinen mir seltsam platt angesichts des Sturmes von Gefühlen, denen ich ausgesetzt bin, wenn ich Dich nur sehe. Gott hat uns geschaffen, wie wir sind, fe mehr ich darüber nachdenke, umso erstaunlicher finde ich die Wut katholischer Pastoren, die alles das verdammen und dem Teufel zuschreiben, was unseren Leib betrifft.
Wir dürfen zusammenkommen. In dunklen Schlafzimmern, in klammen Betten. Wir dürfen Kinder zeugen und nur das. An unseren Leibern, wenn sie uns Wärme und Vertrauen geben, dürfen wir uns nicht erfreuen, obwohl sie doch ein Geschenk des Herrgottes sind. Ich bin ein unbedeutendes Rädchen im Gang der Welt, aber da scheint mir vieles faul zu sein. Und als ich so durch das Dirnenviertel ging, dachte ich an etwas, was die Kirche bestimmt als sündhaft bezeichnen würde. Ich dachte, dass diese Menschen auf ihre Weise ehrlicher sind als wir, die wir immer nicken und abstreiten, dass wir Freude aneinander haben. Frau und Mann. Wenn ich das schreibe, komme ich mir ein wenig kindlich vor, denn wer bin ich schon, dass so etwas in meinem Hirne nistet und herauswill. Glücklicherweise wird niemand mir in diesen Dingen zuhören, weil ich sie auch niemandem sage. Aber Dir sage ich sie, denn ich liebe Dich über alle Maßen, ich danke für Dein Vertrauen, und ich danke Dir dafür, dass Du mit mir in die neue Welt gehen willst. Wir werden zuerst
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