Der Ball von Sceaux (German Edition)
gesetzt hatte. Zu ihr gehörte auch Maximilian. Emilie, die aufmerksam der Unterhaltung ihrer Nachbarn folgte, konnte ein Gespräch mit anhören, wie es so häufig zwischen jungen Frauen und jungen Männern, die die Anmut und die Formen Maximilian Longuevilles besitzen, geführt wird. Die Dame, die sich mit dem jungen Bankier unterhielt, war eine neapolitanische Herzogin, deren Augen Blitze sprühten und deren weiße Haut wie Seide schimmerte. Die Vertraulichkeit, die der junge Longueville ihr gegenüber an den Tag zu legen suchte, verletzte Fräulein von Fontaine um so mehr, als sie sich eben mit noch zehnmal stärkerer Zärtlichkeit als früher ihrem Geliebten wieder zugewandt hatte.
»Ja, mein Herr, in meinem Lande vermag die echte Liebe jedes Opfer zu bringen«, sagte die Herzogin.
»Ihr empfindet eben eine andere Leidenschaft als die Französinnen«, sagte Maximilian und warf einen flammenden Blick auf Emilie. »Die bestehen nur aus Eitelkeit.«
»Mein Herr,« entgegnete das junge Mädchen lebhaft, »ist es nicht schlecht, sein Vaterland zu verleumden? Hingebung ist in allen Ländern zu finden.«
»Glauben Sie, mein Fräulein,« erwiderte die Italienerin mit spöttischem Lächeln, »daß eine Pariserin bereit wäre, ihrem Geliebten überallhin zu folgen?«
»Oh, verständigen wir uns, gnädige Frau. Man geht wohl mit ihm in die Wüste und wohnt in einem Zelte, aber man setzt sich nicht in einen Laden.«
Sie schloß ihren Satz mit einer Gebärde der Verachtung, die ihr entschlüpfte. Und damit vernichtete Emilie, unter dem Einfluß ihrer verderblichen Erziehung, zum zweitenmal ihr aufkeimendes Glück. Die zur Schau getragene Kälte Maximilians und das Lächeln einer Frau hatten sie zu einer ihrer sarkastischen Bemerkungen verleitet, zu denen das boshafte Vergnügen, das sie dabei empfand, sie immer wieder verlockte.
»Mein Fräulein«, sagte Longueville leise, während das Geräusch der sich vom Tische erhebenden Damen seine Worte vor den andern übertönte, »niemand wird heißer für Ihr Glück beten als ich; gestatten Sie mir, Ihnen das zu versichern, bevor ich fortreise. In einigen Tagen gehe ich nach Italien.«
»Wohl mit der Herzogin?«
»Nein, mein Fräulein, aber mit einer vielleicht tödlichen Krankheit.«
»Ist das nicht eine Einbildung?« fragte Emilie und warf ihm einen beunruhigten Blick zu.
»Nein,« sagte er, »es gibt Wunden, die niemals vernarben.«
»Sie werden nicht abreisen«, sagte das stolze Mädchen lächelnd.
»Ich werde reisen«, entgegnete Maximilian ernst.
»Dann werden Sie mich, wenn Sie wiederkommen, verheiratet finden, ich warne Sie«, sagte sie mit kokettem Ausdruck.
»Ich wünsche es.«
»Abscheulicher!« rief sie aus, »wie grausam rächt er sich!«
Vierzehn Tage später reiste Maximilian Longueville mit seiner Schwester nach den warmen, poetischen Gefilden des schönen Italiens ab und ließ Fräulein von Fontaine als Beute der heftigsten Gewissensbisse zurück. Der junge Gesandtschaftssekretär machte die Anklage seines Bruders zu der seinigen und wußte sich für das verachtungsvolle Verhalten Emiliens eklatant zu rächen, indem er die Gründe für den Bruch der beiden Liebenden öffentlich mitteilte. Er gab seiner Tänzerin die boshaften Bemerkungen, mit denen sie vorher Maximilian überhäuft hatte, mit Zinsen zurück und brachte häufig mehr als eine Exzellenz zum Lächeln, wenn er die schöne Feindin der Kontore schilderte, die Amazone, die zu einem Kreuzzug gegen die Bankiers aufrief, das junge Mädchen, deren Liebe sich vor einem Stückchen Musselin verflüchtigte. Der Graf von Fontaine war genötigt, seinen Einfluß aufzubieten, damit August Longueville eine Mission nach Rußland erhielt, um seine Tochter vor der Lächerlichkeit zu schützen, die der junge gefährliche Verfolger mit vollen Händen über sie ausschüttete. Bald darauf ernannte das Ministerium, das zu einem Pairschub genötigt war, um die aristokratische Mehrheit zu stützen, die, wie sich ein berühmter Schriftsteller ausdrückte, in der edlen Kammer ins Wanken geraten war, Herrn »Guiraudin« von Longueville zum Pair von Frankreich und zum Vicomte. Auch Herr von Fontaine erhielt die Pairswürde als Belohnung für seine Treue während der schlimmen Tage und im Hinblick auf seinen Namen, der in der erblichen Kammer fehlte.
Emilie, die jetzt majorenn geworden war, stellte nun wohl ernsthafte Betrachtungen über ihre Zukunft an, denn sie änderte deutlich ihren Ton und ihr Benehmen: statt,
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