Der Bann Der Magie
Früher einmal war ein Besuch am Schlachthof bereits ein Aufstieg für Euch; ich hoffe, Ihr scheut Euch nicht, Euch heute nacht dorthin zu begeben.«
Masha seufzte und stützte ihre Lampe auf das Treppengeländer. »Drei Tage? Da werde ich wohl nicht viel helfen können.«
Aber sie würde mitkommen - das las Walegrin aus ihrem Gesicht, noch ehe sie etwas sagte. Enoir protestierte und bestand darauf, sie zu begleiten, aber sie befahl ihm, im Haus zu bleiben, und ging wieder hinauf, um sich anzuziehen. Walegrin wartete und ignorierte höflich Enoirs bitterböse Blicke.
»Habt Ihr eine Eskorte auf der Straße?« fragte Masha, als sie zurückkehrte. Sie hielt in einer Hand einen mitgenommenen Lederkoffer und zog mit der anderen einen fast durchsichtigen Schal um die Schultern.
»Natürlich«, versicherte ihr Walegrin ohne Zögern, als er, statt Enoir, ihr die Tür aufhielt.
Kaum schloß sie sich hinter ihnen, rief er nach Zip.
»Das ist Eure Eskorte?« Masha versuchte offenbar mit dem Hohn in ihrer Stimme, ihr Unbehagen und ihre Angst zu verbergen.
»Nein, das ist unser Führer; die Eskorte für Euch bin ich. Beeilen wir uns.«
Was immer Masha zil-Ineel tat, seit sie zu Geld gekommen war, verweichlicht hatte es sie jedenfalls nicht. Die Schalenden flatterten lose von ihren Schultern, während sie mühelos mit ihnen auf der Goldallee Schritt hielt. Sie hatte das Anerbieten der beiden Männer abgelehnt, den schweren Koffer für sie zu tragen, und er behinderte sie offenbar auch nicht. Als der Mond unterging, erstand Walegrin zwei Fackeln von Deinem nächtlichen Straßenhändler auf der Hauptstraße, damit eilten sie weiter. Sie vermieden das Labyrinth, obwohl alle drei die Geheimnisse seiner dunklen Gassen kannten. Als sie zur Schlachterstraße kamen, hielten sie abrupt an.
Eine Schar schwankender Gestalten mit wild zuckenden, brennenden Fackeln näherten sich ihnen aus vollen Lungen brüllend. Die drei geborenen Freistätter fühlten sich an die ungezügelten Pestmärsche erinnert, die den besser gestellten Bürgern verraten hatten, wann die Seuche in den Slums zugeschlagen hatte. Leise verschmolz Zip mit den Schatten und schob Masha hinter sich.
Walegrin zog sein Schwert aus Grünstahl und klemmte den Stummel seiner eigenen Fackel in einen Spalt der Hauswand.
Eine Gruppe Arbeiter, die noch nicht lange in Freistatt waren, kam aus der Dunkelheit. Sie torkelten und taumelten gegeneinander, und ihr Gebrüll erwies sich als der Kehrreim eines Liebeslieds, das eigentlich sanft gesungen werden sollte. Walegrin schüttelte eine Menge seiner Anspannung ab, blieb jedoch stehen, als sie ihn sahen und schwankend anhielten.
»Ein Hurenhaus, Offi-schier, wo'sch hübsche Frauen gibt?« erkundigte sich ihr selbsternannter Anführer und zeichnete die Umrisse einer wohlgeformten Frau in die Luft zwischen ihnen. Seine Begleiter hörten zu singen auf und billigten seine Frage pfeifend und lachend.
Walegrin strich das schweißnasse Haar aus der Stirn unter seinen Bronzereif zurück. Wenn er noch ein paar Augenblicke wartete, würden wenigstens zwei der Neuankömmlinge in den Straßenstaub sinken, um ihren Rausch auszuschlafen, und ihr ganzer Marsch wäre umsonst. Aber die Männer, die an der Mauer arbeiteten, wurden täglich in guter rankanischer Währung bezahlt, und die Straße der Roten Laterne litt ohnehin unter dem Wetter. So tat er seine Bürgerpflicht und wies ihnen den Weg zum Siegestor, von wo aus sie die ersehnten Freudenhäuser mühelos finden würden, falls sie nicht Ischade in die Arme liefen.
Zip war an seiner Seite, als er nach der Fackel im Wandspalt griff.
»Verdammte laute Narren«, knurrte er.
»Vielleicht sollten wir unseren Beruf aufgeben und Mauern bauen oder Schiffe entladen«, meinte Walegrin.
»Hört Euch das bloß an! Sie sind bestimmt schon halb über dem Karawanenplatz, und man kann sie immer noch hören! Sie werden lebenden Leibs gefressen werden!«
Der Standortkommandant zog eine Braue hoch.
»Nicht ein solcher Haufen! Du hast dich jedenfalls ziemlich rasch verkrochen«, entgegnete er herausfordernd.
Zip schwieg. Es gab kräftige Männer in Freistatt. Tempus war der stärkste; Walegrin und sein Schwager Dubro waren auch nicht gerade Zwerge. Aber von den Stiefsöhnen abgesehen, waren die Neuankömmlinge die kräftigsten, bestgenährten Männer, die Freistatt seit über einer Generation gesehen hatte. Auch wenn sie nur einfache Arbeiter waren, würde ein anderer - ein Einheimischer wie Zip - es
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