Der Bann Der Magie
Morgendämmerung milchig durchscheinend. Die Männer an der Türöffnung erkannten, daß Masha recht hatte.
»Das Baby?« flüsterte Zip.
»Ein Mädchen«, antwortete Masha. »Ihr Bein ist jetzt verdreht, aber das kann sich mit der Zeit geben.«
»Wenn sie.«, begann Walegrin.
Da durchzuckte ein heftiger Anfall das Mädchen. Als sie die Augen schloß und ein letztes Mal keuchte, breitete sich rasch ein roter Fleck auf dem weißen Tuch aus. Das Kind, das sie mit schwindender Kraft gehalten hatte, entglitt ihren erschlafften Armen. Arbold war zu betäubt, es aufzufangen.
»Es hat sie umgebracht!« rief er und ballte die Hände an den Seiten zu Fäusten, als Masha ihm das Neugeborene in die Arme legen wollte. »Verflucht! Es hat sie umgebracht!« Seine Stimme wurde schrill vor hilfloser Wut.
Das Baby, das eingeschlafen war, wachte auf und schrie kurzatmig, wie Neugeborene es tun. Masha drückte es schützend an die eigene Brust, als der viel zu junge Vater immer lauter wurde.
»Sie umgebracht!« schrie sie ihn an. »Wie kann ein unschuldiges Kind für die Umstände seiner Geburt verantwortlich gemacht werden? Wenn es eine Schuld gibt, dann mach die verantwortlich dafür, die es sind. Jene, die seine Mutter drei endlose Tage ohne Hilfe hier herumliegen haben lassen! Und den, der es gezeugt hat!«
Aber Arbold war in keiner Stimmung, sich Gedanken über seine eigene Rolle am Tod seiner Liebsten zu machen. Seine Wut wechselte von dem Neugeborenen zu Masha über. Zip eilte durch die Kammer, um seinen Kameraden zurückzuhalten.
»Gibt es jemanden, dem ihr die Pflege dieses Kindes anvertrauen könnt?« wandte Masha sich an Zip. »Eine Mutter? Oder vielleicht eine Schwester?«
Einen Augenblick sah es fast so aus, als gäbe es gleich einen zweiten Mann in dieser vom Tod heimgesuchten Kammer, der die Beherrschung verlor, aber dann stieß Zip nur ein bitteres Lachen hervor. »Nein. Sie war die letzte. Von ihrer Familie lebt niemand mehr.«
Masha hielt die Kleine an sich gedrückt und schaute sich um wie ein in die Enge gedrängtes Tier. »Was dann?« flüsterte sie zu sich. »Sie braucht ein Zuhause. Eine Pflegemutter...«
Da trat Walegrin dazwischen. Er blickte hinunter auf das Neugeborene. Seine Händchen waren rot und so winzig -kaum imstande, seinen Zeigefinger zu umklammern; sein Gesichtchen wies dunkle Flecken auf, als wäre es bei seinem Eintritt ins Leben mißhandelt worden - was ja auch der Fall war.
»Ich nehme sie mit«, erklärte Masha und blickte Zip und Arbold herausfordernd an.
»Nein«, sagte Walegrin - und alle starrten ihn erstaunt an.
»Rekrutiert der Garnisonskommandant jetzt schon Neugeborene?« höhnte Zip.
Der Blonde zuckte mit den Schultern. »Ihre Mutter ist tot, ihr Vater weigert sich, sie anzuerkennen, das macht sie zum Mündel des Staates - außer du hast vor, sie selber aufzuziehen.«
Zip wandte den Blick ab.
»Mistress zil-Ineel ist eine tüchtige Frau - aber sie hat ihre eigenen Kinder großgezogen und ist nicht darauf erpicht, ein fremdes Kind großzuziehen.«
Seine eisgrünen Augen blickten die Hebamme an, bis auch sie zur Seite schaute.
»Ich kenne eine Frau, der man die Kinder nahm. Du kennst sie ebenfalls, Zip - und nur zu gut!«
»Ihr Götter! Nein!« Zip schluckte die Worte fast.
»Du willst sie mir verweigern?« Walegrins Stimme war nun so kalt wie seine Augen.
»Was? Wer?« unterbrach Arbold sie.
»Die S'danzo. Die in der Gasse. Erinnerst du dich: die Feuersäule und die Krawalle danach?« antwortete Zip schnell, ohne den Blick von Walegrin zu lassen, dessen Hand um den Griff der einzigen Waffe in der Kammer lag.
»Was will eine S'danzo mit...«, begann der Junge.
»Du willst sie mir verweigern, Zip?« wiederholte Walegrin.
Der VFBF-Führer schüttelte den Kopf und schob einen Arm vor Arbolds Brust, um möglichem Widerstand von seiner Seite zuvorzukommen.
»Dann sag Lebewohl zu deiner Tochter, Bürschchen«, befahl Walegrin. Er nahm die Hand vom Schwertgriff und kramte statt dessen in seinem Gürtelbeutel. »Das ist für Euch«, sagte er und drückte Masha eine Silbermünze in die Hand, »für die Entbindung eines gesunden Kindes. Und das ist für sie« , er deutete auf die Tote, bevor er Zip ein ebensolches Silberstück zuwarf. »Um sie würdig jenseits der Mauer zu beerdigen.«
Mit jetzt leeren Händen langte er nach dem Neugeborenen. Masha war sich seiner Entschlossenheit inzwischen klar und drückte das zappelnde Bündel behutsam in seinen abgewinkelten
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