Der Bastard und die Lady
Gerüchte, die Vorwürfe ausgestreut hatte, von Freunden Gefälligkeiten eingefordert und andere sogar für todbringende Missetaten bezahlt hatte.
Ganz klar, wären sie nicht in London gewesen, hätte der Earl Beau an jenem schicksalhaften Tag umgebracht. Damals hatte Beau geglaubt, der Grund dafür wäre die Tatsache, dass der Mann seine Schwester liebte. Aber das war nun überhaupt nicht der Fall. Er hatte Beau schlicht und einfach für das verachtet, was und wer er war.
Während seiner Militärzeit hatte Beau Rachepläne geschmiedet. Er war entschlossen, am Leben zu bleiben, nach Hause zurückzukehren und Thomas Mills-Beckman zu vernichten, ganz und gar. Wenn der Mann keinen roten Heller mehr in der Tasche hatte, würde er ihm in einem Brief erklären, was er getan hatte, und ihm eine Pistole schicken, damit Brean sich nicht die Mühe machen musste, sich selbst eine zu besorgen, bevor er sich die Kugel gab und sein Gehirn an die Wand seines Arbeitszimmers verspritzte.
Madelyn war Schnee von gestern. Sie war nur der Traum eines jugendlichen Dummkopfs. Doch Thomas Mills-Beckman hatte an jenem Tag etwas in Beau getötet, seine Jugend, seine Naivität, wie manche vielleicht sagten, und dafür sollte er bezahlen.
Zu Chelsea hatte er gesagt, er hätte sich nur einen Spaß gemacht, seine Maßnahmen gegen ihren Bruder wären nichts als Streiche gewesen. Er wusste nicht, ob sie ihm glaubte oder nicht, und seinerzeit war es ihm gleichgültig gewesen. Er hatte Brean langsam und nicht so zufriedenstellend, wie er wollte, ausgeblutet, und Chelsea war ihm unverhofft, aber weiß Gott nicht unwillkommen in den Schoß gefallen.
Er konnte versuchen, sich einzureden, dass er kein schlechter Mensch war, weil er versucht hatte, ihr den Plan auszureden, doch er kannte die Wahrheit. Sein Widerstand war weniger als halbherzig gewesen. Jetzt sah er sich so, wie er wirklich war. Im Lauf der Jahre waren seine Rachepläne zur fixen Idee geworden, hatten ihn blind gemacht für das, was gut oder schlecht war, weil er nichts anderes mehr im Sinn gehabt hatte als Breans Vernichtung.
Ohne einen flüchtigen Gedanken daran zu verschwenden, was das Durchbrennen nach Gretna Green mit ihm für Chelsea bedeuten würde, hatte er sich darauf eingelassen. Auf den Plan, auf das große Abenteuer, auf die Verführung der jungfräulichen Schwester des Earls.
Und es war falsch. Er hatte etwas in Angriff genommen, was er nie hätte anfangen sollen, und jetzt musste er es zu Ende führen. Bald würde es Zeit sein, die Zeche zu zahlen, seine Strafe in Empfang zu nehmen. Puck hatte sich dagegengestemmt, als Beau ihm seinen Entschluss mitgeteilt hatte, letztendlich aber doch seine Hilfe zugesagt. Es war die einzige Möglichkeit, Chelsea zu schützen.
Es war ein Glücksspiel, und er könnte verlieren, aber Chelsea wäre in Sicherheit.
Alles hing davon ab, dass sie nach Schottland gelangten, ohne Brean zu begegnen … und ohne Chelsea von seinem Plan erfahren zu lassen.
Madelyn zog sich das Tuch fester um die Schultern und schritt leise durch den dunklen Gasthausflur zu dem ihr zugewiesenen Zimmer. Es war nach drei, und sie sehnte sich nach ihrem Bett. Nach ihrem eigenen Bett, ihrem eigenen Bettzeug.
Aber welch angenehme Überraschung war es doch, zu entdecken, dass Viscount Watley im selben Gasthaus abgestiegen war. Noch dazu ohne seine eifersüchtige Frau im Schlepptau.
Er war auf dem Weg nach Norden, um am Totenbett seiner Großtante zu wachen, der Tante mit dem überraschend großen Erbe für ihren Lieblingsneffen, doch George hatte Madelyn versichert, dass die alte Schachtel mindestens noch eine Woche durchhielt, was Madelyn ziemlich gleichgültig war, da nichts von dem Geld jemals ihr zufallen würde. Wenngleich der Viscount ihr ein Paar diamantene Ohrgehänge angeboten hatte, wenn sie sich von ihm wie eine läufige Hündin von hinten nehmen ließ. Offenbar lagen Männer nachts wach und dachten sich dergleichen Unsinn aus.
Aber es hatte durchaus Spaß gemacht …
„ Madelyn .“
Sie wandte sich nach der Stimme um und sah ihren Bruder näher kommen. Er wirkte ziemlich betrunken; seine scheußliche schwarze Jacke war über seinem beträchtlichen Bauch offen, seine altmodische schwarze Krawatte gelöst. Sie erinnerte sich an Zeiten, als er schlank und gepflegt, wenn auch nicht gut aussah. Jetzt machte er den Eindruck, als käme er von einem merkwürdig ausgelassenen Begräbnis.
„Thomas?“
Er legte einen Finger an die Lippen. „ Schschsch .
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