Der Bastard und die Lady
der anderen Straßenseite im Wald verschwand.
„Was zum Teufel erdreisten Sie sich …“
Weiter kam sie nicht, denn er zog sie kurzerhand aus dem Sattel, hielt sie fest, während er seine Füße aus den Steigbügeln befreite, und ließ sich mit ihr zu Boden fallen.
„Sie mussten wohl ausgerechnet Rot tragen“, knurrte er, wälzte sich über sie und verbarg mit seinem Körper so viel von ihrem Reitkleid wie eben möglich. Gleichzeitig hielt er mit einer Hand die Zügel ihrer beider Pferde fest. „Liegen Sie still, verdammt noch mal!“
Jetzt spürte er das Rumpeln, und an der Art, wie Chelseas herrlich ausdrucksvolle Augen sich weiteten, erkannte er, dass sie, auf dem Rücken im Gestrüpp liegend, es noch deutlicher spürte.
Pferde, mindestens ein Dutzend, näherten sich in Windeseile. Ihnen waren unterwegs mehrere Reisende begegnet, doch jetzt war es anders. Es war, als näherte sich ein Trupp Soldaten. Beau meinte sogar, den typischen Jagdgeruch wahrzunehmen; er dachte an Kavallerie, die sich einen Hügel hinunter ins Kampfgetümmel stürzte.
Vorsichtig hob er den Kopf und spähte durch das hohe Gras und Unterholz, in der Hoffnung, von seinem Bruder auf der anderen Straßenseite keine Spur zu entdecken. Er sah ihn nicht. Was er allerdings zehn Sekunden später sah, war ein Dutzend Reiter, vier von ihnen in der Breanschen Livree. Ohne Erbarmen mit ihren Pferden jagten sie vorbei.
„Wie?“, fragte er, nicht unbedingt an Chelsea gewandt, die immer noch unter ihm lag und ziemlich rot geworden war. „Wie konnte er das wissen?“
„Ich glaube, ich weiß die Antwort, und bitte um Entschuldigung, weil ich nicht früher daran gedacht habe“, sagte sie und stemmte sich gegen seine Schultern. „Thomas hasst Sie, besonders, weil er Geld verliert, während Sie, ein so eindeutig minderwertiger Mensch, abscheulich reich sind. Ich habe gehört, wie er stundenlang mit Reverend Flotley über Sie geredet hat, denn Sie sind die einzige Sünde, die Thomas offenbar nicht durch Beten überwinden kann. Er verachtet Sie. Das Geld Ihres Vaters. Die Vermögensmasse, die Ihr Vater Ihnen und Ihren Brüdern nach seinem Tod hinterlassen wird. Das Herrenhaus am Grosvenor Square. Das Jagdhaus in Schottland, das Stadthaus in Paris. Die Loge in Covent Garden.“
„Die Jacht im Hafen von Brighton“, ergänzte Beau dumpf, schüttelte den Kopf und verfluchte seine Dummheit. „Vermutlich hat er auch Leute zu allen Besitztümern meines Vaters ausgeschickt. Verdammt.“
„Ja, nun“, fuhr Chelsea fort, die Hände immer noch an seinen Schultern. „Nachdem das nun geklärt ist …“
Beau blickte wieder hinab in ihr Gesicht und wurde sich verspätet ihres Körpers unter seinem bewusst – sehr bewusst. „Ich wollte Ihr rotes Reitkleid verbergen“, erklärte er, rührte sich aber nicht. „Geht es Ihnen gut? Erdrücke ich Sie? Sie scheinen sich nicht wohl zu fühlen.“
„Mir geht es gut. Ich war … ich war nur noch nie einem Mann so nahe.“
„Ach nein?“, fragte er lächelnd … und rührte sich immer noch nicht.
„Was soll dieser selbstgefällige Blick? Ich habe nicht gesagt, dass es mir gefällt . Rücken Sie endlich zur Seite.“
„Ah, ihr lernt euch näher kennen, wie ich sehe“, sagte Puck irgendwo hinter ihnen. „Wie schön.“
Beau wälzte sich von Chelsea herab, stand auf und half auch ihr auf die Füße. „Du kannst nicht nach Brighton reiten“, informierte er seinen Bruder überflüssigerweise. „Und ich kann Chelsea nicht nach Blackdown bringen, verdammt.“
Puck ließ sich auf einem Baumstumpf nieder, setzte seinen Hut mit der geschwungenen Krempe ab und bearbeitete ihn mit einem Reithandschuh, um den Straßenstaub zu entfernen. „Weißt du, Beau, ich habe immer zu Jack und dir aufgeschaut. Zu den Älteren, bei denen ich Rat und Hilfe suchen konnte. Das hätte ich wohl nicht tun sollen. Du bist nicht klüger als ich, und Jack ist vermutlich noch um einiges dümmer. Darf ich einen Vorschlag machen?“
„Nein“, bellte Beau, und Chelsea sagte gleichzeitig: „Ja, bitte.“
„Damit gibt meine Stimme den Ausschlag“, meldete Puck fröhlich, „und ich stimme dafür, dass ich einen Vorschlag mache. Lasst uns zurück zum Grosvenor Square reiten. Bis zu unserer Ankunft wird es schon Nacht sein, und niemand wird uns sehen, wenn wir die gleichen dunklen Gassen benutzen wie bei unserer Abreise. Eine gute Mahlzeit, ein weiches Bett, bewacht von Wadsworth und seinen früheren Kriegskameraden. Ja, das ist
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