Der Bastard und die Lady
konnte ihm alles sagen, er konnte alles mit ihr machen. In einem dunklen Schlafzimmer. Hier, im hellen Sonnenschein. Überall. Sie würde nehmen, was immer er ihr gab, alles geben, was er von ihr erbat. „Ich will dich. Ja. Bitte …“
„Noch nicht. Ich kann dir noch mehr geben … ich möchte dir noch mehr geben. Darf ich? Vertraust du mir?“
Sie schlug die Augen auf und sah ihm ins Gesicht. Sah die Leidenschaft und vielleicht noch mehr. Sie wusste nicht, was er wollte, doch es störte sie nicht. Nicht wenn er sie so ansah, als wäre sie eine Kostbarkeit für ihn. Als wäre das, was sie taten, was sie empfanden, völlig losgelöst von dem, was sie beide sich noch vor ein paar Minuten vorgestellt hatten. Als ginge es über ihre Körper, über die Begierde hinaus. Etwas Nebulöses, das sich ganz unerwartet eingestellt hatte.
Etwas bedeutend Herrlicheres als nur Lust. Und doch irgendwie beängstigend. Wenn sie Ja sagte, würde sie ihm dann einfach nur ihren Körper hingeben, oder würde sie ihm etwas geben, was sie nie zurückbekäme?
Sie forschte in seinen Augen. Hob eine Hand und berührte seine Wange.
Und nickte.
Da küsste er sie, lange, langsam, so süß, dass es ihr Tränen in die Augen trieb. Sie hielt ihn in den Armen, spürte die Sonnenwärme auf seinem nackten Rücken, strich mit den Handflächen auf und ab und spürte erschrocken die harten Ränder alter Narben. Thomas, dachte sie, und weißglühender Zorn schoss ihr mitten ins Herz.
Chelsea zog Beau enger an sich, fast so, als könnte sie ihn dadurch von dem alten Schmerz erlösen, die Demütigung ungeschehen machen und all die Verletzungen, innerlich wie äußerlich, die er seit so vielen Jahren empfangen hatte. Ihre Vehemenz schockierte sie, doch sie glaubte aus vollem Herzen an das, was sie dachte: Wenn Thomas es noch einmal wagt, ihn anzurühren, bringe ich ihn mit bloßen Händen um.
Beau hörte nicht auf, sie zu küssen. Er verscheuchte alle abschweifenden Gedanken, als er ihren Körper über und über mit Küssen bedeckte, hier und da verweilte, um zu berühren und zu schmecken. Sie nahm jede neue Zärtlichkeit freudig an, schwelgte in dem Gefühl, dass er ihren Körper anbetete … und sie selbst vielleicht auch.
Etwas Wunderbares geschah. Neu und fremd und doch absolut plausibel. Natürlich würde er sie hier küssen … und dort. Sie dort berühren.
Sie schmolz unter ihm dahin, wurde weich und schmiegsam, beinahe wie ohne Knochen, ließ zu, dass er sie formte, gestaltete, erhob.
Sie mit dem Mund nahm.
Sie stellte endlos lange das Atmen ein, ohne zu wissen, was sie tat, bis ihre Lunge nach Luft schrie. War nur noch Empfindung. Und weinte fast vor Erstaunen.
„Oliver.“
Er trieb sie bis an die Grenze und darüber hinaus …
„So dankbar ich auch für einen Tag ohne diese Kutsche bin, Thomas, und so vielversprechend die Läden auch aussehen, wüsste ich doch gern von dir, warum wir noch einen Tag in Leeds bleiben.“
„Madelyn, ich habe es dir gesagt. Wir hatten ein Problem mit der Kutsche. Mehr brauchst du nicht zu wissen.“ Wenn er ihr mehr verriet, würde sie lachen, er wusste es. Zum Teufel mit Beau Blackthorn, bestimmt steckte er hinter dieser Sache.
„Ach, wirklich? Dann darf ich vermutlich auch nicht fragen, wohin du jetzt willst?“
Der Earl sah seine Schwester an und empfand eine Güte ihr gegenüber, die er nie gekannt hatte. Sie war nicht zu retten, schien aber größtenteils auf ihre Weise glücklich zu sein. Das Gleiche galt vermutlich für Chelsea. Im Grunde waren beide gar nicht so furchtbar. Seine Eltern hätten zwei weitere Söhne bekommen können, dann müsste er jetzt für deren Ausbildung in die Tasche greifen, sie auf Kavalierstour schicken, sie vor Geldverleihern schützen, wenn sie zu gewagt spielten. Er würde ihre Freude darüber sehen, dass seine Frau ihm noch keinen Erben geschenkt hatte, während sie hofften, dass er sich der Einfachheit halber das Genick brach, wenn sein Pferd über einen Zaun setzte, damit der Weg frei wurde für den zweiten Sohn. Derart hatte er lange genug seinen Vater beobachtet, begierig darauf, in die Fußstapfen des Toten zu treten.
Alles in allem war es demnach gar nicht so schrecklich, dass er Schwestern hatte. Er hasste sie nicht. Er hasste nicht alle Frauen, wie Francis es offenbar tat. Mit einem frommen Hass, oft genug mit Bibelstellen begründet, aber trotzdem Hass. Der Mann machte ihn allmählich nervös.
Thomas hasste Beau Blackthorn, und zwar schon seit langer
Weitere Kostenlose Bücher