Der Bastard von Tolosa / Roman
kamen vereinzelt Pfiffe. Es ging ein grollendes Murren und eine Bewegung durch die Masse der Zuschauer wie etwas Bedrohliches. Ein graubärtiger Soldat vor mir spuckte auf den Boden und wandte sich angewidert ab. Die Menge pfiff und johlte jetzt, und immer wieder hörte man nach jedem nassen Klatschen der Peitsche das durchdringende Kreischen und Aufheulen dieses Elenden. Mir wurde übel.
Beim fünfundvierzigsten Schlag sackte Leon in sich zusammen, hing leblos an den Fesseln und regte sich nicht mehr. Der Mann an der Peitsche hielt inne. Es war sinnlos, einen Bewusstlosen zu züchtigen. Ein Wachmann kippte einen Eimer Wasser über den Gefangenen. Erst nach einigen Augenblicken rührte er sich und kam spuckend und nach Luft schnappend zu sich. Dann schluchzte er herzzerreißend.
»Schluss jetzt! Lasst die Memme laufen«, schrie einer.
»Macht ihn fertig!«, brüllte ein anderer, begleitet von gellenden Pfiffen und zustimmendem Gejohle. Duran hatten sie bewundert, Leon wollten sie zerstört sehen. Die Menge war zur Bestie geworden. Auch das war widerlich.
Die Peitsche war inzwischen steif vor Blut, der Boden rot, und Blutstropfen hatten die Nächststehenden benetzt. Ich machte ein Zeichen, dass es nun genug sei. Es gellten noch vereinzelt Pfiffe, aber dann beruhigte sich die Menge, und langsam wurde es still. Man vermied, sich gegenseitig anzusehen.
Die Mönche wuschen Leon notdürftig, so wie er da am Balken hing. Der zerfetzte Rücken war ein schrecklicher Anblick. Sein Leben lang würde er diese ungeheuren Narben tragen. Schließlich hüllten sie ihn in Leinen und schafften ihn weg.
Langsam löste sich die Menge auf. Mein Blick kreuzte sich mit Guilhems. Er runzelte die Stirn und schüttelte angewidert den Kopf.
Ich hatte das Bedürfnis, zu fliehen. Schnell stieg ich zu meinen Gemächern auf. Es war getan, was die Disziplin der Festung verlangte. Und dennoch hasste ich mich dafür.
***
In den Tagen nach dem Strafvollzug fuhr ich fort, mich endlos zu betrinken, als wollte ich den Anblick der blutig zerfetzten Rücken so schnell wie möglich vergessen, als wollte ich meinem Herzen nur noch Betäubung zumuten. Alexis durfte mir nur den Weinkrug nachfüllen, dann schickte ich ihn fort.
Hamid, der mich besuchte, redete von vergiftetem Blut in meinem Körper. Es müsse entfernt werden, danach würde es mir bessergehen. Aderlass, wie jeder weiß, ist ein gutes Heilmittel gegen viele Krankheiten. Aber ich war störrisch und erwiderte, was denn schlecht an meinem Blut sein sollte, war es doch zur Hälfte mit gutem Rotwein durchmischt.
Er ließ mich wortlos allein, schickte mir jedoch zur Blutabnahme einen Feldscher, in der Hoffnung, ich würde einsehen, was gut für mich sei. Doch den Feldscher wünschte ich zum Teufel und warf ihm noch einen Schemel hinterher.
Ich wollte nichts und niemanden.
Dann kam Palmsonntag, der Beginn der heiligen Woche. Mein Platz wäre bei der großen Prozession gewesen und in der Messe. Stattdessen lag ich auf meinem Lager, aß nichts und dämmerte im Rausch dahin.
Am Montag erwachte ich mit grässlichen Kopfschmerzen und musste mich gleich übergeben. Danach lag ich zitternd und in Schweiß gebadet auf meinem Lager. Der Geruch meines ungewaschenen Leibes mischte sich mit dem sauren Gestank von Erbrochenem und abgestandenem Wein. Da konnte ich mich selbst nicht mehr ertragen, und am Nachmittag, als der Wind an den Fensterläden rüttelte, erhob ich mich auf unsicheren Beinen und begann, mich langsam, aber gründlich zu waschen.
Alles war mir zuwider geworden. Meine Lagerstatt, die dunkle Kammer, die Festung düster und muffig, der seit Tagen graue Himmel und der Dauerregen, der alles klamm und feucht machte. Meiner eigenen Gesellschaft überdrüssig, lechzte ich nach Bewegung und frischer Luft. Ich stieß die Läden auf und atmete tief durch. Schwarze Wolkenfetzen jagten über den Himmel, aber der kühle, nach Salz und Meer schmeckende Wind belebte mein gequältes Hirn.
Ghalib freute sich, mich zu sehen, als ich ihn aus seinem Pferch holte und sattelte. Er stieß mich mit der Nase an und hob erregt und freudig nickend seinen herrlichen, schwarzen Kopf. Bald trabten wir aus der Stadt hinaus aufs freie Land und erreichten nach wenigen Meilen Meer und Strand. Der heftige, böige Wind ließ Ghalibs Mähne fliegen. Ich ließ ihn laufen, und es tat uns beiden gut, ungestüm am Rand des Meeres entlangzugaloppieren, auch wenn mein Hirn schmerzhaft dagegen tobte. Fontänen stoben auf, wenn
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