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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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dann kam mir Berta in den Sinn.
    Nun, Odo wusste, dass sie mir gleichgültig war. Sie hatte außerdem ihre eigene Familie und Brüder, wenn sie Hilfe brauchte. Wohlhabende Gutsbesitzer, die nicht darbten. Sehr zufrieden waren sie gewesen, ihr Töchterchen mit dem Neffen des Erzbischofs zu verkuppeln. Nun war sie an meiner Mutters Seite Herrin über eine Burg, über gutes Land und eine Reihe von ertragreichen Pachthöfen. Ihr schuldete ich gewiss nichts. Und dann traf es mich ganz unerwartet wie ein Faustschlag. Natürlich! Er meint das Kind, dachte ich und holte tief Luft, als müsste ich plötzlich ersticken.
    Vielleicht war es an der Zeit, gewissen Dingen ins Auge zu sehen. Nach der unseligen Hochzeit war mir Berta verhasst gewesen. Kaum eines Blickes hatte ich sie gewürdigt, und nur mit Mühe war es mir gelungen, höflich zu ihr zu sein. Und dennoch, zum Teufel, hatte sich dieses Kind nicht vermeiden lassen. Ein paar trunkene Nächte, Augenblicke hastiger Befriedigung, mehr war es nicht gewesen. Und dafür hatte ich sie noch mehr gehasst. Mich selbst in Wirklichkeit. Das Ergebnis meiner Schwäche war nicht zu leugnen gewesen. Ein Kind, ein Sohn. Es war, als ob der Teufel mich habe auslachen wollen. Berta quicklebendig mit einem vor Gesundheit strotzenden Säugling im Arm, während Amelha in Qual hatte sterben müssen. Und mit ihr die Frucht unserer Liebe.
    Ja, ganz sicher, Odo musste Bertas Sohn gemeint haben. Sofern der Bengel noch lebte. Ich hatte nichts von ihm wissen wollen, meine Vaterschaft verleugnet. Noura hatte davon gewusst, aber geschwiegen, während ich mich bemüht hatte, die Vergangenheit aus meinem Gedächtnis zu tilgen. Nun begann ich zu ahnen, dass man nicht für immer entfliehen kann, dass man irgendwann seine offenen Rechnungen begleichen muss.
    Grübelnd schlürfte ich an meinem Minztee. Möwen drehten sich über den Wellen, und ihre Schreie drangen durch das Getöse der Brandung. Manche schwebten gegen den Wind minutenlang an derselben Stelle. Gelegentlich stürzten sie sich ins Meer, um mit einem zappelnden Fisch im Schnabel wieder aufzutauchen.
    Die Fischer unter dem Hüttendach unterhielten hinter einem Windschutz ein Holzkohlenfeuer, über dem sie ihr Gebräu warm hielten. Aber nun legten sie große, aufgeschnittene Garnelen auf den Rost, deren weißem Fleisch bald ein betörender Duft entströmte. Mir lief schmerzhaft das Wasser im Mund zusammen, und ich erinnerte mich, dass ich seit dem Vortag nichts mehr gegessen hatte. Ein alter Mann grinste freundlich aus zahnlosem Mund. Er bot mir ein Holzbrett voll mit dampfenden Garnelen an. Ein junger Bursche, vielleicht sein Sohn, träufelte etwas Olivenöl und Zitronensaft darüber, gab mir dazu ein Stück Brot und streute ein paar Krumen grobes Salz darauf. Ein Festessen, über das ich mich schamlos hermachte. Mein Gott, nie hatte etwas so gut geschmeckt. Die Fischer freuten sich über meinen Heißhunger und nickten mir lächelnd zu.
    Der Wind riss an den zum Trocknen aufgehängten Netzen. Er zerrte und schüttelte an dem Strohdach, unter dem ich saß, und zerzauste mein Haar. Als Kinder hatten wir Flusskrebse gesammelt und in siedendes Wasser geworfen, bis ihre Panzer knackten und zischten. Andere Bilder tauchten aus der Erinnerung auf. Weiße Kalkfelsen und reißende Bergflüsse, die sich durch zerklüftete Schluchten zwängen. Die bewaldeten Hänge unseres Tals, steinige Weinberge, Olivenhaine und überall der Geruch von Thymian und Lavendel.
    Ich erhob mich und verbeugte mich dankend vor den Fischerleuten. Es war Zeit, zu gehen. Ich drückte dem Alten ein paar Münzen in die Hand, winkte ihnen noch einmal zu und stieg auf meinen Rappen.
    Den Heimweg legten wir in gemächlichem Schritt zurück, denn ich war noch tief in Gedanken. Irgendwo zügelte ich Ghalib und betrachtete den Sonnenuntergang am westlichen Horizont, wo die Wolkendecke schon aufgerissen war und von besserem Wetter kündete. Der Hengst stand dabei so nah am Wasser, dass die Wellen seine Hufe umspülten. Dann machte er jedes Mal einen Schritt zurück. Und wenn das Wasser ihn wieder freigab, tänzelte er vorwärts und nickte mit seinem großen Pferdekopf. Das Wellenspiel schien ihn zu vergnügen, während ich beobachtete, wie der letzte Rand der Sonnenscheibe hinter dem Horizont noch einmal aufblitzte und dann versank.
    Ich hätte sicher noch lange auf das dunkler werdende Meer gestarrt, aber Ghalib war spürbar ungeduldig, den Heimweg anzutreten. Ich ließ ihm seinen Willen,

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