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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und wir trabten in Richtung Al-Mina und dem geschäftigen Genuesenviertel.
    Der Ausritt hatte mir gutgetan. Das Leben sollte mich nun wiederhaben, denn eine weitere einsame Nacht auf der Festung war nicht mehr nach meinem Geschmack. Ich spürte deutlich, dass Nouras Tod mein Leben völlig verändert hatte, auch wenn mir noch unklar war, welche Richtung der Fluss des Schicksals von nun an nehmen würde.
    War Odos Brief ein Omen?

Die Huren im Viertel der Genuesen
    Sanctus Ambrosius, Patron der Krämer und Imker
    Secunda Feria, 4. Tag des Monats April
    D ie Wachen am Stadttor von Al-Mina grüßten, als ich hindurchritt. Ich lenkte Ghalib in Richtung Hafen, wo ich eine Schenke und Gesellschaft finden würde. Das ganze Hafenviertel sowie fast ein Drittel der Stadt unterlagen der Verwaltung der Genuesen. Das war ihr Lohn für die Unterstützung bei der Einnahme von Tripolis gewesen und für die weitere Sicherung der Küsten.
    Sie stellten nicht nur Kriegsschiffe, sondern auch Truppen, besonders ihre gefürchteten Armbrustschützen, deren Bolzen selbst Kettenpanzer durchschlagen. Weniger gefährlich auf offenem Feld, da ein Reitertrupp die ungeschützten Armbrustmänner schnell überrennen kann, aber vom Schiff her oder von einer Festung herunter sind ihre Bolzen treffsicher und tödlich. Obwohl diese
balestas tornissas,
wie man sie nennt, teuer und schwer herzustellen sind, fürchte ich, dass solchen
machinae
die Zukunft gehört.
    Den Hafen hatten die Genuesen instand gesetzt und für ihre Handelsflotte mit neuen Docks und hölzernen Hebebäumen ausgebaut. Auch die alten Lagerhäuser der Araber waren erweitert und Häuser eingerissen worden, um Raum für einen großen Warenumschlagplatz zu schaffen. Tripolis hatte schnell wieder seinen Rang als wichtigster Handelshafen der levantinischen Küste eingenommen. Im Hafenviertel tummelten sich Menschen aus allen Teilen des Mittelmeers. Kaufleute aus Genua und Venedig, ägyptische oder griechische Schiffseigner, nubische Rudersklaven und Karawanenführer aus Damaskus oder Bagdad. Wenn man das Treiben und die Menge an Waren beobachtete, die täglich den Besitzer wechselten, konnte man Bertran verstehen, wie er sich vergnügt die Hände über die reichen Zölle rieb, die ihm dieser Handelsplatz einbrachte. Holz, Seile aus Hanf, Seide und kostbare Tuche, Elfenbein, Schmuck, Gewürze, Purpur, Waffen, Öl, Salz, Wein, Obst, Getreide oder Ochsenhäute. Es gab nichts, was nicht feilgeboten wurde, sogar menschliche Ware auf einem großen Sklavenmarkt und in den besten Hurenhäusern der gesamten Küste. Und natürlich Schankstuben und Trinkhäuser an jeder Straßenecke. Für die Mannschaften aus Bertrans Heer war das Genuesenviertel ein Anziehungspunkt von unwiderstehlichem Reiz. Hier schwelgten, soffen und hurten sie bis zum Überdruss.
    Vor einer Kaschemme der etwas besseren Art stieg ich vom Pferd und übergab einem Burschen, der herausgeeilt war, die Zügel. Das Gasthaus gehörte einem Mann aus Pisa und wurde ordentlich geführt. Es besaß Ställe hinter dem Schankraum, wo ich Ghalib sicher wusste. Bekannte Gesichter sah ich nicht, aber es war noch früh am Abend und die Schenke erst spärlich gefüllt. Ich setzte mich in eine Ecke und ließ mir einen Krug Wein bringen. Es war Zeit, die Schwermut der letzten Tage zu vertreiben, so hatte ich entschieden. Und doch war mein Inneres aufgewühlt wie das Meer heute Nachmittag.
    »Jaufré, zum Teufel, was sitzt du hier und bläst Trübsal?«
    Die dröhnende Stimme kannte ich nur zu gut. Ich schaute auf und blickte in die fröhlichen, blauen Augen meines früheren Hauptmanns, Raimon Pilet. Er trug seine fahlblonden, zotteligen Haare lang, hatte gerötete Wangen und grinste mich aus breitem Mund an, umrahmt von einem wuchernden Stoppelbart. Pilet war so groß wie ich, aber breiter gebaut mit einer Brust wie ein Weinfass. Eine tiefe, silbrige Narbe lief ihm quer über Stirn und Wange und verlieh seinem Gesicht einen Ausdruck von Wildheit.
    »Pilet, du Schlitzohr.« Ich freute mich, ihn zu sehen.
    Er setzte sich mir gegenüber, kostete unaufgefordert von meinem Trinkbecher und goss den Inhalt angewidert auf den Boden. Dann rief er laut nach der Bedienung, einem hübschen Mädel mit dunklen Locken. Pilets forsches Auftreten und seine laute, fröhliche Art weckten die Aufmerksamkeit aller Anwesenden. Der Wirt selbst kam beflissen lächelnd an unseren Tisch.
    »Pietro, du Gauner!«, fuhr Pilet ihn an. »Schaff mir mal diesen Fusel vom Tisch. Da

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