Der Bastard von Tolosa / Roman
langsam – aus der Provence?
»Aus Narbona, von meinem Onkel«, antwortete ich.
»Gute oder schlechte Nachrichten?«
»Er will, dass ich heimkehre.«
»Jemand gestorben?«, wollte Guilhem wissen.
»Nein. Davon hat er nichts geschrieben. Ich glaube, es hat mit meinem Erbe zu tun.«
»Wirst du uns verlassen?«
»Ich denke nicht dran«, sagte ich mit mehr Bestimmtheit, als ich empfand.
»Jungs! Vermisst ihr nicht so einen richtigen Eintopf, Bohnen mit Pökelfleisch, wie sie ihn nur zu Hause machen? Oder den Geruch einer guten Blutwurst.« Robert hielt sich die eingebildete Wurst unter die Nase und stöhnte wohlig.
»Bei uns riecht im Sommer die ganze Gegend nach Lavendel«, meinte Roger.
»Und der Wein«, seufzte Robert. »Besser als diese Pisse hier.«
»In Narbona hatte ich mal eine Liebste«, ließ sich Guilhem gedankenverloren vernehmen.
»Hört endlich mit dem elenden Gewäsch auf«, dröhnte Pilet. »Geht’s uns nicht gut hier? Zugegeben, der Wein könnte besser sein, aber es gibt gutes Land, fette Beute von Zeit zu Zeit und mindestens drei Weiber für jeden.« Er schlug auf den Tisch und schaute allen herausfordernd ins Gesicht. »Seien wir doch ehrlich. Was gibt es im alten Land, was ihr hier nicht dreimal mehr habt?« Die Männer nickten zögerlich. »Schaut euch doch selber an«, fuhr Pilet fort. »Goldene Fibeln, reiche Gürtelschnallen, silberne Sporen. Fein geschmiedete Schwerter. Ich hab euch noch als arme Schlucker im Gedächtnis, als wir durch Anatolien zogen. Statt goldener Ringe hattet ihr Löcher in den Socken.«
»Du hast recht, Bruder«, rief Roger. »Wo ist die nächste Karawane?« Er sprang auf, hüpfte im Kreis und spähte übertrieben wild um sich. Dann hielt er sich die Hand wie einen Schleier über Mund und Nase, verdrehte verführerisch die Augen und wackelte mit den Hüften. Die ganze Schenke tobte und klatschte Beifall, woraufhin er sich wieder auf seine Bank warf und einen Becher Wein hinunterstürzte.
Robert zeigte auf Guilhem. »Du und eine Liebste in Narbona? Was sollte eine Frau an deiner hässlichen Fratze finden?«, wieherte er.
Alle lachten, und Guilhem schnitt eine furchterregende Grimasse. Darauf stießen wir an und sangen ein Lied zusammen. Und so schritt der Abend fort, und wir wurden immer betrunkener. Dann trat dieses irre Leuchten in Guilhems Augen, und er blickte suchend um sich. Ich kannte das schon und fing an zu kichern. Und richtig, als die hübsche Magd uns noch einen Krug Wein brachte, grapschte er mit der einen Pranke ihr rundes Hinterteil und ihren Busen mit der anderen. Das Mädchen kreischte auf, schüttete ihm einen vollen Krug Wein über den Kopf und floh in die Küche.
»Da hast du deine Liebste, du Esel!«, schrie Robert und fiel vor Lachen von der Bank, blieb auf dem Boden sitzen und hielt sich den Bauch. Dann kam der Wirt Pietro mit einem langen Messer aus der Küche gerannt, fuchtelte damit herum und schrie uns einen ganzen Schwall von Pisaner Dialekt an den Kopf, den wir nicht verstanden, außer, dass das Mädel seine Tochter war. Roger fuhr auf und stieß gegen den Tisch, dass Weinkrüge und Becher zu Boden krachten. Wir lachten nur noch mehr.
Pilet riss dem Mann das Messer aus der Faust und brüllte: »Schluss jetzt, ihr Hurensöhne. Ich sehe, es ist Zeit für die
putas.
«
»Das hast du gut gesagt«, rief Robert vom Boden, zerbrochenes Geschirr um ihn herum. »Mein Kleiner braucht ’ne Ölung.«
»Um Gottes willen«, brummte Pilet. »Wenn du mitkommst, nehmen die Huren alle Reißaus.«
Schließlich warfen wir Silbermünzen auf den Tisch und torkelten nach draußen in die Mondnacht. Guilhem begann, an eine Mauer zu pissen, und bald spritzten wir alle um die Wette.
»Auf zur
Keuschen Barbara!
«, schrie einer, und singend, Arm in Arm, zogen wir durch die Gassen.
***
Der Rest der Nacht ist mir nur in Bruchstücken erhalten geblieben, denn wie meine Gefährten war auch ich schon ziemlich betrunken. Ich erinnere mich aber, wie wir in Hochstimmung, am Hurenhaus angekommen und nach ungestümem Hämmern an der Pforte, in Barbaras Reich der Sinne gestolpert waren.
Raimon Pilet machte wie immer viel Lärm. Die Dirnen, die kichernd um uns herumschwärmten, rümpften die Nase, denn wir stanken nach Schweiß und Wein, und unsere Finger waren noch fettig vom Essen. So zogen sie uns unter Scherzen und Gelächter die Kleider vom Leib. Bei der
Keuschen Barbara
wurde immer zuerst gebadet, denn es war in der Tat ein Badehaus, wenn auch nur von
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