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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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hervor, der fliederfarbenen Bischofsmütze, die Kopf und Ohren bedeckte. Das silberne Kreuz, das an seiner Brust baumelte, schien fast zu schwer für den dürren Hals. Odo war verdammt alt geworden, dachte ich, sein Körper schwach und gebrechlich, die frühere Leibesfülle dahingeschmolzen wie Butter in der Sonne. Aber seine Augen, die waren immer noch lebendig.
    Den halben Vormittag hatte es gedauert, bis man mich vorgelassen hatte. Außer ihm befand sich niemand im Audienzsaal. Er musste alle Bediensteten fortgeschickt haben. Nach meinem Kniefall und hastigen Kuss auf den Bischofsring hatte er mir den Tod meiner Mutter wie einen Fehdehandschuh vor die Füße geworfen. Wenn es seine Absicht gewesen war, mich aus der Fassung zu bringen, dann war es ihm gelungen.
    »Sie ist tot?«, stammelte ich ungläubig.
    »Vom Pferd gestürzt.« Er starrte mich vorwurfsvoll an, als sei es meine Schuld.
    Meine Mutter tot? Alles hatte ich erwartet, nur nicht das. Diese Nachricht rüttelte an meiner Seele. Erst Noura, nun Cecilia. Nicht nur, dass sie für mich Mutter und Vater zugleich gewesen war, sondern sie war der Inbegriff schlechthin von Rocafort. Ein Rocafort ohne Cecilia? Undenkbar! Ich versuchte, tief durchzuatmen, um das bittere Gefühl von öder Leere und Verlassensein abzuschütteln.
    »Wann ist das geschehen?«
    »Ein paar Jahre nachdem du uns verlassen hast, um auf deine große Wallfahrt zu gehen«, antwortete er ätzend. Etwas Schleim lief ihm aus der Nase, und er wischte ihn mit einem bestickten Seidentuch ab.
    »Gestürzt? Sie war doch immer gut zu Pferde.«
    Ich hatte gehofft, mich mit meiner Mutter zu versöhnen, gewünscht, sie würde Gefallen an ihrer Enkelin finden. Adela brauchte jetzt eine
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ihre einzige Großmutter. Während der ganzen Reise hatte sie davon geredet.
    »Nicht mehr froh geworden ist sie, nachdem du fort warst.«
    Unaufgefordert setzte ich mich.
    Odo redete sich allmählich in Zorn.
    »Und was hat es dir gebracht?«, krächzte er. »Bist du reich geworden? Oder ein
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ein Markgraf in Outremer? Oder doch nur einer dieser gebrochenen Helden, die sich nach Hause schleichen und die Straßen unsicher machen?«
    Ich schwieg. Sollte er seinen Ärger ruhig loswerden, wenn er mochte. Während er über die Unsinnigkeit des Heiligen Krieges wetterte und gegen meine Dummheit, dem Heerhaufen Raimons nachgelaufen zu sein, dachte ich an Cecilia. Eine Frau, die stets Achtung verdient hatte. Ich wusste, sie hatte mich geliebt, wenn es ihr auch nicht immer leichtgefallen war, dies zu zeigen. Nein, nicht nur Achtung, auch meine Liebe hatte sie verdient. Aber wenig genug hatte sie davon erhalten, dachte ich bestürzt. Außer diesem Alten vor mir gab es niemanden mehr aus meiner Familie. Ein niederdrückender Gedanke.
    Raimon sei ein Narr gewesen, hörte ich Odo zetern, der nur seine Eitelkeiten habe befriedigen wollen.
    »Wir haben Jerusalem befreit«, erwiderte ich. »Ist das nichts?«
    »Das ist mir bekannt!«, schrie er. Mein ruhiger Ton schien ihn noch mehr zu erregen. Er tupfte wieder an seiner Nase. »Und wie vielen hat es das Leben gekostet? Oder sind zu Krüppeln geworden?« Er musterte mich von Kopf bis Fuß. »Der Herr sei gelobt. Wenigstens scheinst du noch in einem Stück zu sein.« Er schniefte durch die Nase. »Die Blüte unserer Jugend ist dahin. Jahrgänge von Frauen, die ihren Familien zur Last fallen, weil sie keine Männer finden.«
    Hätte man sich doch lieber gegen die Mauren in Spanien gewandt. Leon und Aragon hätten es gedankt. Granada sollte man erobern statt Jerusalem. Alles wäre nützlicher gewesen, als unsere Kräfte am anderen Ende der Welt gegen Türken zu vergeuden. Odo war in Fahrt und wollte nicht mehr aufhören. Ich schüttelte den Kopf. Nach vierzehn Jahren kehrte ich heim, und er hatte nichts Besseres zu tun, als mir sein Gift in die Ohren zu spritzen.
    »Ich danke dir für den Brief an Bertran«, warf ich ein, als er unterbrach, um sich geräuschvoll zu schneuzen.
    »Ja«, sagte er. »Bertran.« Der Name hing einen Augenblick im Raum zwischen uns, bis er hinzufügte: »Bastard mag er sein, aber kein Dummkopf.« Er wischte sich umständlich die Nase und betrachtete mich lange aus halb geschlossenen Lidern, während sein Atem ruhiger wurde.
    »Und warum bist du nicht früher gekommen?«
    »Warum hast du nicht früher geschrieben?«
    Wir starrten uns gegenseitig vorwurfsvoll an. Doch so kamen wir nicht weiter. »Es gab da eine Frau …«
    »Hast du

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