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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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kampferprobter Starrköpfe, die den Alten nicht verlassen mochten, oder weil sie mit ihren Familien gebrochen hatten und glaubten, so wie ich, kein Zuhause mehr zu haben. Mit diesem kläglichen Heer von
veterani
war er gegen das reiche Tripolis gezogen, um dort eine Grafschaft zu erobern. Elvira beschwor ihn, von dem verrückten Plan zu lassen. Er schalt sie kleingläubig und rief, Gott werde seine Hilfe nicht verwehren. Zudem habe er geschworen, sein Leben im Heiligen Land zu beschließen. Wir Männer sagten nichts, sondern folgten ihm in grimmer Hoffnung, auch dies zu überleben.
    Mit dieser kleinen Schar gelang es Raimon jedoch, ein Heer von zehntausend zu schlagen, das der arabische Emir von Tripolis mit Hilfe der Türken aus Damaskus gegen uns aufgestellt hatte. Es muss der Ruf der Unbesiegbarkeit unserer Reiterei gewesen sein, der diesen Sieg ermöglicht hatte. Anders kann ich es mir nicht erklären.
    Trotzdem blieb Tripolis weiterhin unerreichbar wie eine verbotene Frucht, die sich in der gleißenden Sonne der Levante weiß und glitzernd vor dem Blau des Meeres abhob. Die Mauern waren zu hoch für Belagerungstürme, und ohne Schiffe konnten wir die Versorgung von See nicht verhindern. Um zumindest den Landweg abzuriegeln, war die Burg Pilgersberg auf einer gegenüberliegenden Anhöhe errichtet worden. Doch ohne den Besitz der Stadt blieb die Grafschaft Tripolis vorerst ein leerer Traum.
    Nachdem
Anno Domini
1105 Raimon gestorben war, entschloss sich Elvira, mit ihrem dreijährigen Sohn Alfons Jordan nach Tolosa abzureisen. Nur fort von dieser endlosen Belagerung, diesem nimmer endenden Krieg, fort von Staub und Hitze, Blut und Fliegen. Und wer wollte es ihr verübeln?
    Guilhem Jordanus, Graf von Cerdanha, den wir zum Heermeister gewählt hatten, gelang es ebenso wenig, den Widerstand der Stadt zu brechen. Als endlich vor einem Jahr Raimons Sohn Bertran mit viertausend Mann vor Tripolis erschien und sein Erbe verlangte, weigerte sich Guilhem Jordanus, es herauszugeben. Darüber kam es zum Streit, und König Balduin erschien in Person, um in Gegenwart der wichtigsten Gefolgsleute beider Parteien die Angelegenheit zu schlichten.
    Guilhem pochte auf seine Wahl durch das Heer, seine Kriegserfahrung und Verdienste bei der Eroberung Jerusalems. Außerdem sprach Bertrans vierjährige Abwesenheit seit dem Tod seines Vaters gegen ihn. Dennoch besaß er allein den Schlüssel zur Eroberung von Tripolis. Nicht nur verfügte er über ein Heer von viertausend Mann, sondern, durch ein Abkommen mit den Genuesen, auch über vierzig Kriegsgaleeren, die den Seehafen der Stadt abriegeln würden. Noch dazu Truhen voller Gold, um diese Streitmacht zu versorgen. Daraufhin teilte König Balduin die neue Grafschaft zwischen Bertran und Guilhem auf, und die Streithähne mussten sich brüderlich umarmen und gegenseitige Treue schwören.
    Dank Bertrans kluger Vorbereitung fiel so die Stadt, und er hatte in kurzer Zeit mehr erreicht als sein Vater. Guilhem Jordanus konnte selbst keinen Nutzen aus dem Abkommen ziehen, denn bald darauf wurde er bei einer Prügelei tödlich verwundet und verstarb. Ein weiterer glücklicher Umstand für Bertran, der damit alleiniger Herr der Grafschaft wurde.
    Viele hatten große Beute gemacht. Aber mancher
veteranus
fragte sich dennoch, warum Bertran sich erst nach vier langen Jahren bequemt hatte, das Erbe seines Vaters anzutreten. Zusammen mit dem alten Raimon hatten wir alles erduldet, Märsche über verschneite Pässe und durch sengende Wüsten, Siege und Niederlagen überstanden, latrinenverseuchte Lagerplätze, Pestilenzen und Hungersnöte. Wenn er, der Weißhaarige, diese Strapazen ertragen konnte, dann konnten wir es auch, hatte es immer geheißen. Aber aus welchem Stoff war sein Sohn? War es ihm überhaupt ernst?
    Vielleicht spürte er diese Zurückhaltung. Jedenfalls bestand Bertran als neuer Herr auf dem feierlichen
homagium,
bei dem alle Anführer vor versammeltem Heer ihm den Vasallenschwur zu leisten hatten. Auch ich hatte vor ihm gekniet, nach altem Brauch meine gefalteten Hände dargeboten mit der Bitte, mich als treuer Gefolgsmann unter seinen Schutz stellen zu dürfen. Zum Zeichen seiner Billigung hatte Bertran meine Hände umfasst und mir die Wange geküsst. Eine Hand zum Schwur erhoben, die andere auf der Heiligen Schrift des Kaplans, so hatte ich den von alters her überlieferten Schwur gesprochen, durch Reim und Gleichmaß schön wie ein Lied.
    D’aquesta ora enant
eu Jaufré non

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