Der Bastard von Tolosa / Roman
erklärte Kyriacos. Der Weg führe zwar auch zur Küste, aber nach Tripolis müssten wir uns rechts halten. Es sei noch ein strammer Tagesritt. Der Mann kam mir etwas unruhig vor, aber sicher war er nur ungeduldig wie wir alle, unseren Ritt endlich zu beenden.
Also folgten wir dem angezeigten Pfad, der an einem steilen Hang entlangführte. Schließlich erreichten wir eine breite, felsige Hochfläche. Zu rechter Hand erhoben sich die verschneiten Bergspitzen, und links bot sich eine unglaubliche Aussicht über das zerklüftete Tal, über ferne, blassblaue Hügel bis hin zur weit entfernten Küste. Schließlich ritten wir auf ein kleines Dorf zu. Laut Kyriacos nur ein armes Bergbauerndorf, wo nichts zu holen war. Bertran erklärte, auf der westlichen Seite des Libanon wolle er die Bauern schützen und nicht ausplündern, was ihm wieder ein Murren der Männer einbrachte.
Das Dorf bestand aus einer Handvoll armseliger Hütten, deren Mauern aus den umliegenden Felsbrocken aufgeschichtet waren. Seltsamerweise lag es ganz verlassen da. Wir entdeckten keine Menschenseele. Auch keine Tiere. Wie ein totenstilles Geisterdorf. Vielleicht hatten die Bewohner uns bemerkt und waren samt ihrer Habe geflohen. Verstecke gab es in der Gegend genug. Doch wer hätte sie vor uns warnen sollen? Wir waren unerwartet zu dieser frühen Jahreszeit von der Passstraße gekommen, und niemand konnte uns gesehen haben. Aber ich war zu müde, um weiter darüber nachzudenken.
Während der kurzen Rast tränkten wir die Pferde an einem Bergbach, der durch das Dorf floss, und füllten unsere Wasserschläuche, bevor wir wieder aufsaßen. Langsam ging es weiter bergab. Es war nun merklich wärmer geworden. Mancher nahm den schweren Helm ab und hängte ihn an den Sattelknauf.
Auch ich tat es ähnlich und fuhr mit den Fingern durch mein schweißverklebtes Haar. Wir verließen den Wald und betraten eine riesige Lichtung von vielleicht achthundert Schritten Durchmesser. Am anderen Ende führte die Straße in eine Lücke zwischen Felswänden. Unsere Vorhut war schon dort und gab Zeichen, dass der Weg frei sei. Dann verschwanden sie in der Schlucht.
Meine Hunde waren nirgends zu sehen. Sicher liefen sie wie immer mit der Vorhut voraus. Mitten auf der Lichtung hielten wir einen Augenblick an. Die Sonne stand nun schon tief. Ein ruhiger, schöner Nachmittag. Hoch oben im Blau des Himmels drehte ein Falke seine Kreise. Mein Hengst Ghalib tänzelte und legte die Ohren an. Etwas schien ihn zu beunruhigen. Verwundert raunte ich ihm beruhigende Worte zu und strich über sein schwarzes Fell. Dann sagte Hamid etwas Seltsames.
»Ich frage mich, ob es diese Karawane jemals gegeben hat.«
»Wie meinst du das?«
»Ist mir gerade wieder in den Sinn gekommen. Zweihundert Kamele ziehen nicht spurlos durch die Wüste. Und die wenigen Spuren schienen mir zu dürftig und zu alt gewesen zu sein.«
»Vielleicht haben sie einen anderen Weg genommen.«
»Vielleicht.« Er starrte nachdenklich in die Ferne. »Wer hat uns von der Karawane erzählt?«
»Kundschafter.«
»Alle in Kyriacos’ Sold.«
Wir gaben den Pferden die Sporen und holten auf. Inzwischen waren die Ersten der Hauptabteilung schon fast in der Schlucht. Links und rechts war der Weg von dichtem Baumbewuchs gesäumt.
»Was willst du damit sagen?«, fragte ich beunruhigt.
»Wo ist eigentlich Kyriacos?« Hamid drehte sich suchend um.
Irgendwo weit vor uns schlugen meine Hunde plötzlich an. Ihre tiefen Stimmen überschlugen sich vor Wut und hallten durch die Schlucht. Gleichzeitig stob eine Wolke von Vögeln kreischend in die Luft. Urplötzlich war mir klar, dass wir in argen Schwierigkeiten steckten.
Mit zwei Fingern im Mund stieß ich einen gellenden Pfiff aus. Dann schrie ich, so laut ich konnte. »Zurück, zurück! Sammeln!«
Unser Trupp hielt so abrupt, dass einige Gäule stiegen und beinahe ihre Reiter abgeworfen hätten. Die Männer blickten sich unsicher um. Da surrten Pfeile aus den Büschen. Ein Mann vor mir wurde ins Auge getroffen. Das machte einen Laut wie eine Melone, die auf den Boden aufschlägt. Seine Finger krallten sich um den Schaft, dann sank er rücklings vom Pferd. Ein anderer bekam einen Pfeil in den Arm, noch während er versuchte, seinen Schild nach vorn zu ziehen. Ein Gaul wurde im Hals getroffen und schrie vor Schmerz auf. Dann galoppierte das Tier davon, während der Reiter Mühe hatte, im Sattel zu bleiben.
Jetzt prasselte ein ganzer Hagel von Pfeilen auf uns ein. Mehrere
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