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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und Kinder. Ist das die Liebe eures Gottes, um die ihr so viel Aufhebens macht?«
    »Es ist schwer, die Männer zurückzuhalten, wenn sie sich in einen Blutrausch steigern.« Ich ärgerte mich, weil Hamid recht hatte, wenn ich es auch ungern zugab. War ich durch diesen verdammten Krieg genauso verroht wie die meisten?
    »Blutrausch? Dass ich nicht lache.«
    »Was spielst du dich so auf? Du bist doch sonst nicht zimperlich«, erwiderte ich gereizt. »Wie viele Dörfer haben wir nicht schon geplündert in den letzten Jahren, nicht zu reden vom großen Morden in Jerusalem und anderen Städten? Du warst doch immer dabei!« Als er nicht antwortete, fuhr ich mit meiner Tirade fort. »Und was haben die Türken gemacht? Christliche Gefangene haben sie gepfählt, ihnen die Haut bei lebendigem Leib abgezogen. Und dann der Pilgerzug dieses verrückten Pierre d’Amiens? Nichts als armes Volk, Frauen und Kinder. Sie haben sie alle gemeuchelt. Ich habe selbst die Gebeine gesehen. Über zehntausend müssen es gewesen sein.«
    »Ich kannte dieses Dorf von früher«, erwiderte er schließlich und seufzte. »Vor vielen Jahren war ich mit der Karawane meines Vaters unterwegs, und wir haben dort gerastet. Sie waren sehr gastfreundlich und haben ihr Essen mit uns geteilt.«
    »Es tut mir leid«, sagte ich betroffen.
    Ja, dieser Krieg wurde brutal und ohne Anstand geführt. Warum nur dieser Hass auf alle, die anders waren, anders lebten und anders beteten? Die Verbohrtesten waren oft die Geistlichen. Daheim predigten sie Liebe und Vergebung. Gegen die Fehden der Adligen wetterten sie, und wer es wagte, den Kirchenfrieden, die
pax ecclesiae,
zu brechen, der forderte den Kirchenbann heraus. Doch hier war alles erlaubt. Es geschehe zur Glorie des Herrn, und wenn Gott diesen Menschen hier zürne, dann müsse er schon seine Gründe haben. Denn der Herr sei gerecht und wir nur sein Werkzeug, und wir dürften daher nicht müde werden, seinen Auftrag zu erfüllen. Und so taten wir uns gegenseitig, Freund wie Feind, unbeschreibliche Dinge an. Wer nicht sein Leben verlor, der lief Gefahr, seine Ehre zu verlieren, und manchem kam sogar noch das Letzte abhanden, was einem an Menschlichkeit blieb, das schlechte Gewissen.
    »Ich hätte schneller eingreifen sollen«, brummte ich.
    »Dann bitte deinen Gott um Vergebung! Er vergibt euch doch alles, oder? Sehr bequem, euer Glaube.«
    »
Merda,
Bruder! Spotte nur nach Herzenslust. Es macht es auch nicht besser.« Eine Weile schwiegen wir verdrossen.
    Wir ritten durch eine wilde Landschaft. Zerklüftete Felsen und tiefe, enge Schluchten. Trotzdem gab es genug fruchtbare Erde für mächtige Bäume und dichtes Unterholz. Welch ein Gegensatz zum kahlen, verschneiten Pass heute Morgen.
    »Was war mit der Alten, die mich so giftig angeschrien hat?« Ich konnte die hasserfüllten Augen des Weibs nicht aus dem Kopf bekommen.
    »Der wir die arme Enkelin ermordet haben?«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Das willst du nicht wissen.«
    »Diga me, putan!«,
drang ich in ihn, es mir zu verraten.
    »Sie war außer sich.«
    »Sie hat mich verflucht, oder?«
    »Das hat sie.« Es war ihm sichtlich unbehaglich.
    »Dabei habe ich sie gerettet!«
    »Der Tod wäre ihr lieber gewesen.«
    »Was hat sie geschrien?«
    »Dass du das Gleiche erleiden sollst, was man ihr angetan hat.«
    »Was noch?«
    »Dass du deine gesamte Familie zu Grabe tragen wirst und dass dich selbst danach der
schitan,
der Satan, zur ewigen Verdammnis in die Hölle holen wird.«
    Obwohl ich Derartiges geahnt hatte, fuhr ich erschrocken zurück.
»Que Dieu m’ajut!«,
beschwor ich Gottes Hilfe. Zur Sicherheit machte ich noch die Faust zur
corna,
dem Hornzeichen, als Schutz gegen alles Böse, und dann spuckte ich für Glück noch drei Mal auf den Boden.
    »Geschwätz einer alten Frau«, brummte Hamid beruhigend.
    »Bei uns Provenzalen werden solche Flüche ernst genommen. Ganz besonders solche von alten Frauen.« Und so machte ich zur Sicherheit noch einmal das Hornzeichen und bekreuzigte mich dazu.
    Immer noch felsige Hänge und dichter Wald um uns herum. Keine Spuren einer menschlichen Axt. Diese Gegend schien einsam zu sein, denn seit dem Pass waren wir niemandem begegnet. Die Bäume hatten wuchtige Stämme, ausladende Äste und hohe Kronen. Mussten Hunderte von Jahren alt sein. Dann kamen wir an eine Weggabelung. Links ging es steil ins Tal hinab. Von ganz unten glitzerte ein Bergbach zwischen den Bäumen hindurch. Dies sei das Wadi des Nahr Quadisha,

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