Der Bastard von Tolosa / Roman
sich vor dir in Acht nehmen.« Er grinste einen Augenblick, war aber gleich wieder ernst. »Nun willst du also wissen, warum ich nach dir gesandt habe.« Als ich nickte, fragte er launisch: »Ist es denn nicht an der Zeit, dass du dich um Besitz und Familie kümmerst?«
»Welche Familie? Deine Berta?«
Odo warf mir einen traurigen Blick zu. Dann holte er sein besticktes Tuch hervor und wischte sich die Nase. Er schien seine Gedanken zu sammeln.
»Erzähl mir von Adelas Mutter.«
Ich berichtete nur das Notwendigste. Als er erfuhr, wie Noura umgekommen war, erschrak er. »Mein Gott. Das arme Kind. Hat sie es mit ansehen müssen?« Er meinte Adela, nicht Noura.
»Nicht wirklich. Beim Anblick der Seldschuken ist sie fortgelaufen.«
»Dem Herrn sei Dank!« Er bekreuzigte sich. »Sie ist ein allerliebstes Kind.«
Wir saßen nebeneinander und schwiegen.
Ich sah Noura wieder auf dem Totenbett liegen, ihr schönes Antlitz im Kerzenschein. Odo neben mir seufzte. »Du hast diese Frau also geliebt.«
»Ja, das habe ich.«
»Das ist gut, mein Sohn.«
»Besser, wenn sie noch lebte«, entfuhr es mir gereizt.
»Natürlich.« Das Gespräch verlief unbeholfen und holprig, als sei die erste schüchterne Vertraulichkeit immer noch zu befremdlich, als dass man ihr freien Lauf gewähren mochte. »Ich bin froh, dass du etwas Glück gefunden hast«, sprach er kaum hörbar leise. »Auch wenn du mir nicht glaubst, aber es hat mich damals sehr geschmerzt, dich leiden zu sehen.«
Das war mir neu, doch heute Morgen wollte ich ihm nicht widersprechen, denn trotz meines Grolls genoss ich es, hier mit ihm in der Sonne zu sitzen und dem Gesang aus der Kirche zu lauschen.
»Ich will mich nicht wieder in dein Leben einmischen, Jaufré, aber ich brauche deine Hilfe!« Er blickte auf die Kieselsteinchen zwischen seinen Füßen. »Wir leben in gefährlichen Zeiten, mein Junge. Der Adel ist unruhig. Machenschaften im Verborgenen. Geheime Bündnisse. Es werden Geister gerufen, die vielleicht nicht mehr zu beherrschen sind.«
»Ich dachte, der Adel war sich einig, Bertran loszuwerden.«
»In dieser Sache, ja. Aber es gibt verschiedene Allianzen, Jaufré. Und jede verfolgt ganz eigene Ziele. Es rumort. Ein Schwelbrand, der plötzlich ausbrechen kann.«
»Kannst du mir mal erklären, wovon du redest?«, sagte ich unnötig laut.
»Schrei mich nicht an. Ich bin alt, aber nicht schwerhörig.«
Ich seufzte und wartete.
Er holte tief Luft. »Elvira ist überfordert und leicht zu beeinflussen. Sie hört immer auf den Berater, der gerade ihr Ohr hat. Es gibt Männer, die um ihre Gunst buhlen. Wer weiß, wen sie sich demnächst ins Bett holt. Der jedenfalls könnte der mächtige Mann werden.«
»Ich höre, da gibt es schon einen, den älteren Sohn der Borcelencs.«
Odo schüttelte angewidert den Kopf. »Schlechte Zeiten, mein Junge, wenn wir von den Liebeslaunen eines schwachen Weibes geschüttelt werden.«
»Habt ihr nicht Bertran vertrieben, um mit Elvira leichtes Spiel zu haben?«
»Barone machen sich immer gern vom Fürsten unabhängig. Aber die Kräfte, von denen ich spreche, haben noch anderes im Sinn.«
»Machtansprüche?«
»Natürlich. Denn jetzt ist die Gelegenheit gut.«
»Bist du darin verwickelt?« Mir wurde so einiges klar. Bertrans Abgang und das freigebig überlassene Gold für sein Heer hatten nicht nur mit Alfons’ Erbrecht zu tun. Vielleicht wollte man den Weg frei machen. Meine Frage schien ihn jedenfalls verlegen zu machen.
»Natürlich nicht! Ein Erzbischof muss unbeteiligt bleiben.«
»Das kann ich kaum glauben.«
Er blickte weg und schwieg. Natürlich. Es passte zu ihm. Mit Menschen wie mit Schachfiguren umzugehen, das hatte er schon immer gekonnt. Ich spürte den vertrauten Groll in mir aufsteigen. »Du und der alte Borcelencs. Ich verstehe es jetzt. Er hat die Barone auf eure Seite gebracht und du die Bischöfe. Dann habt ihr Bertran das Messer an die Kehle gesetzt und ihn zuletzt bestochen. War es nicht so? Bist du deshalb bei dem Juden Ephraim in der Schuld?«
Er sah mich mit steinerner Miene an und wischte sich dann wieder die Nase. Nach kurzem Schweigen breitete sich auf seinen faltigen Zügen ein entwaffnendes Lächeln aus, das ihn fast jugendlich erscheinen ließ.
»Ich sehe, du bist erwachsen geworden, Jaufré.«
Ich verdrehte die Augen und stöhnte. »Heilige Mutter Gottes! Du steckst also mittendrin. Ich kann es nicht glauben! Das ist ein gefährliches Spiel, Onkel. Was mischst du dich in so etwas
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