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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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genötigt, hinzuzufügen.
    Ich nagte unschlüssig an meiner Unterlippe.
    Ephraim ließ mir Zeit. Aber schließlich schlug er mir ein anderes Geschäft vor. Wenn ich ihm mein Geld für ein Jahr überlassen würde, könne er mir dafür zusätzlich ein stattliches Einkommen garantieren.
    »Jesus vermehrte Brot und Fische«, sagte ich spöttisch. »Habt Ihr ein ähnliches Wunder mit meinem Gold vor?«
    Der Alte lachte über meine verdutzte Miene. »Es ist ganz einfach,
Cavalier.
Jetzt ist es Mai. Da sprießt das Korn auf den Feldern, die Kälber wachsen, es treibt der Wein. All die Fruchtbarkeit ist schön zu schauen, aber Geld bringt sie nicht. Noch nicht. Deshalb sind jetzt die Truhen vieler Gutsherren leer. Die Erlöse der letzten Ernte sind verzehrt, oder man hat sie verspielt, für Waffen oder teure Pferde ausgegeben. Und bis zur neuen Ernte ist Darben angesagt.«
    Das kannte ich nur zu gut. Ich erinnerte mich, wie meine Mutter oft geklagt hatte, dass wir weder Roheisen für den Schmied noch gutes Wolltuch kaufen konnten, bis wir den jungen Wein und das frisch gepresste Öl verkauft hatten.
    »Sie kommen also zu mir und leihen sich, was sie brauchen. Nach der Ernte werden dann alle Schulden beglichen. Dafür nehme ich einen Zins. Oft verkaufen sie mir auch schon jetzt den Weizen, der noch auf dem Halm steht. Natürlich unter Preis, denn alles Risiko liegt dann bei mir. Das also,
Senher
Jaufré, ist mein Geschäft. Überlasst mir Euer Gold, so teile ich meinen Gewinn mit Euch. Halbe-halbe.«
    »Beutet Ihr nicht die Not der anderen aus?«
    »Ohne meine Hilfe wäre so mancher in einer verzweifelten Lage. Auch der Graf macht Geschäfte mit mir. Sogar Euer Onkel brauchte vor einiger Zeit eine große Summe, die ich ihm vorstrecken konnte.«
    »Odo steht in Eurer Schuld?«
    Er nickte und betrachtete mich mit gütigen Augen. »Der Erzbischof wird Euch bestätigen, dass Ephraim noch nie jemanden betrogen hat.«
    Nach einigem Zögern sagte ich zu, besonders nachdem auch er mich vor räuberischem Gesindel warnte, das in den einsameren Gegenden, durch die wir ziehen würden, ihr Unwesen trieben. Zwei Drittel meines Horts würde ich ihm überlassen, den Rest in unsere Kleider nähen. Ephraim zählte alles entsprechend ab und füllte meinen und Hamids Anteil in Beutel, die er mir gab. Dann musste ich warten, bis er Urkunden mit unserem Abkommen aufgesetzt und ich vorsichtig meinen Namen daruntergekritzelt hatte. Auch für Hamid machte ich ein Kreuz.
    »Wer ist dieser Mann mit dem maurischen Namen?«, fragte er. »Ein Muslim?«
    Ich nickte. »Er ist mein Freund und wird bei uns leben.«
    Ephraim schüttelte erstaunt lächelnd den Kopf. »Ein Sohn Allahs im Reich der Franken und Freund eines
miles christi.
Wer könnte jemals die Wege Gottes ergründen?«
    Als alles erledigt war, reichte er mir zum Abschluss unseres Geschäftes die Hand. »Nun sind wir Partner,
Cavalier
Jaufré. Ihr werdet es nicht bereuen.«
    Das sagt sich leicht. Aber nun war es so entschieden.
    »Ihr kehrt nach langer Abwesenheit auf Euer Gut zurück«, sagte er zuletzt. »Dinge verändern sich. Wer weiß, wie Ihr es antreffen werdet. Solltet Ihr jemals Hilfe benötigen, denkt an Ephraim, den Juden. Mein Einfluss reicht weit.«
    Ich dankte ihm. Dann machten Brun und ich uns auf den Weg zurück zur Herberge.
    ***
    »Hier kann uns niemand belauschen, mein Junge.«
    Was, zum Teufel, war denn so Heimliches zu bereden, fragte ich mich. Mein Onkel ließ sich unter Ächzen auf einer Steinbank mit römischen Ornamenten nieder. Wir befanden uns neben einem Brunnen mitten im Kreuzgang, der als Garten angelegt war. Ein angenehmer grüner Fleck mit feinem Flusskies auf den Wegen, umgeben von einem schattigen Bogengang. Der Lärm der Stadt war hier kaum zu hören. Die Sonne schien auf zartes Frühlingsgras, bunte Blumenbeete und sorgfältig beschnittene Bäumchen und Büsche. Außer dem Plätschern des Brunnens war es ein stiller Ort, gedacht als Zuflucht zur Besinnung und zum Gebet. Von der Kathedrale tönte Mittagsläuten herüber.
    »Jetzt beten sie die
hora sexta,
und wir sind ungestört«, sagte er und sah zu mir auf. »Steh nicht so steif da und setz dich zu mir, dass ich dich sehen kann. Ich habe nicht vor, mir das Genick zu verrenken.«
    Ich nahm neben ihm auf der kühlen Bank Platz. Ein Auf und Ab schöner Stimmen drang aus der Kirche, zum Lobe des Herrn.
    »Du bist ein Mann geworden.« Er musterte mich. »Und ein stattlicher Kerl dazu. Du siehst aus, als sollte man

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