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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Verzierungen an den Kapitellen der marmornen Säulen, die wilde Tiere und Fabelwesen darstellten. Adela hing an seinen Lippen und bestaunte alles. Dann sah ich beide durch eine Seitentür in die große Kirche treten. Ich seufzte ungeduldig. Und doch wollte ich Odo die kurze Zeit mit Adela nicht verderben. In Wirklichkeit freute es mich, dass er Gefallen an ihr gefunden hatte. Zu lange schon hatten wir ohne Familie gelebt.
    »Warum bleibt ihr nicht zum Pfingstfest?«, fragte Odo, als sie zurückkamen, er schlurfenden Schrittes, seine Hand auf Adelas Schulter gestützt. Ich sah ihr an, dass auch sie gern geblieben wäre.
    »Wir sind schon zu lange unterwegs«, entfuhr es mir schroffer als beabsichtigt. Eine gewisse Unruhe trieb mich nach Rocafort. Nun, da ich Cecilia tot wusste, machte ich mir Sorgen. »Eine Frau wie Berta, allein …«, fügte ich lahm hinzu.
    »Du willst nach dem Rechten sehen«, nickte Odo zustimmend. Er fasste in sein Gewand und zog umständlich eine Urkunde heraus.
    »Was ist das?«
    »Die Mühle in Cubaria. Du erinnerst dich? Sie gehört zur Diözese, und die Klosterbrüder verwalten sie für mich. Der Müller behält ein Viertel des Gewinns, ein Viertel bekommt das Kloster, die Nutzungsrechte und den Rest des Gewinns habe ich dir überschrieben. Der Prior dort hat manchmal sonderliche Einfälle. Ich will, dass euch euer Mehl sicher ist.«
    Ich dankte ihm und steckte die Urkunde weg.
    »Versprich mir, nach der Ernte findest du dich wieder ein.« Ich versprach es. »Und bring meine kleine Nichte mit!« Er lächelte Adela liebevoll an und strich ihr über die Wange. »Meine kleine Urgroßnichte.« Er fasste erneut in sein Gewand und holte eine dünne Kette heraus, an der ein Goldkreuz baumelte, das mit einem eingefassten, roten Stein verziert war.
    »Dein Vater wird mir verzeihen, wenn ich, ohne ihn zu fragen, dir das Kreuz deiner Großmutter schenke. Aber bei dir ist es sicher gut aufgehoben, mein Engel.«
    »Von meiner Großmutter?«
    Adela machte große Augen und wurde rot vor Freude. Cecilias Tod hatte sie gefasst aufgenommen, aber nun betrachtete sie lange das Kreuz. Schließlich half ich ihr, es anzulegen. Daraufhin nahm sie Odo und mich bei der Hand. »Ich will nicht, dass ihr streitet, hört ihr?«
    »Du hast ihn schon bemerkt, unseren kleinen Familienzwist, was?« Odo holte sein Taschentuch hervor, wischte sich die Nase. »Du hast recht. Es ist dumm. Denn ich bin sehr glücklich, deinen Vater wiederzuhaben. Ich hatte ihn schon fast verloren geglaubt. Er hat mir doch sehr gefehlt, das kannst du mir glauben.« Zitterte seine Stimme bei diesen Worten, oder bildete ich mir das nur ein?
    Ich zeigte Adela den Ring meines Vaters.
    »Kleine Gaben als Willkommensgruß«, lächelte Odo und küsste Adela auf die Stirn. »Geh mit Gott,
mon petit anjol,
und komm bald wieder!«
    Er geleitete uns hinaus. Seine welke Hand umklammerte meinen Arm. Er zog mich zur Seite und flüsterte: »Ich erwarte dich dann nach der Ernte. Bis dahin sind einige Dinge zu klären. Und Briefe zu versenden. Man soll wissen, dass du da bist.«
    »Wer soll das wissen?«
    Er legte den Zeigefinger auf die Lippen und grinste verschwörerisch. Gott im Himmel! Nun fing er wieder mit diesem Getue an. Ich wollte mich losmachen, aber für einen Greis hielt er mich mit erstaunlicher Kraft fest.
    »Jaufré, hör mir zu!«, raunte er. »Ich bin alt, und Gott kann mich jederzeit zu sich rufen.«
    »Du wirst noch hundert Jahre alt, Oheim. Da mach ich mir keine Sorgen.«
    »Hör zu, du Holzkopf!«, zischte er ungehalten. »Falls ich sterbe, bevor du zurückkehrst, dann finde den Mönch Jacobus. Er wird dir alles erklären.«
    Ich nickte. Nicht, dass ich ihn ernst nahm. Er merkte es und schüttelte mich am Arm. »Versprich es!«
    »Also gut, ich verspreche es. Und wo hält sich dieser Bruder
Jacobus auf?«
    Er reckte sich höher und wisperte in mein Ohr: »Galamus.«
    »Die Einsiedelei?«
    Odo nickte bedeutungsvoll. »Er war mir lange Zeit ein treuer Diener.«
    »Jacobus in der Einsiedelei. Ich werde es nicht vergessen.«
    »Und nimm Waffenknechte in deinen Dienst, wie ich gesagt habe.«
    »Auf keinen Fall! Wir werden dir im Sommer einen Familienbesuch abstatten, keinen Kriegszug beginnen.«
    Odo grinste und zog mich sanft am Ohr, als sei ich ein widerspenstiger Knabe. Ich küsste ihn auf die faltigen Wangen und merkte überrascht, dass eine Träne an seinen Wimpern hing.
    »Dieu vos salv!«,
rief er hinter uns her. »Gott behüte

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