Der Bastard von Tolosa / Roman
Wunden am eigenen Leib spüren wollte.«
»Und das ist Euch widerfahren?«
»Nein. Eben nicht«, gestand er. »Ich habe das frömmste Leben geführt, gebetet ohne Unterlass, mich monatelang gegeißelt. Aber keine Stigmata. Nicht einmal ein Hauch. Vielleicht war ich nicht würdig.«
»Und die Narben?«
»Zuletzt war mein Geist von Selbstgeißelung und vom langen Fasten so verwirrt, dass ich mir selbst die Wunden zugefügt habe.«
»Herr im Himmel!«, rief ich. Ich stellte mir vor, wie es sein musste, sich einen kräftigen Eisennagel durch die Handfläche zu hämmern. »Und? Seid Ihr Gott dadurch näher gekommen?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Zumindest war es höllisch schmerzhaft«, lachte er. »Mein Bischof in Narbona hat mich einen verrückten Halunken geschimpft.«
»Erzbischof Odo?«
Er nickte. »Der Mensch sei Gottes Schöpfung. Wie könne ich glauben, ihm durch Selbstverstümmelung zu gefallen? Hochmütig sei ich. Wolle etwas Besseres sein, mich über andere erheben.«
»Und wie denkt Ihr jetzt darüber?«
»Ich glaube, er hatte recht. Besonders, was die Hochmut betrifft. Seitdem versuche ich, mich in Demut und Bescheidenheit zu üben.« Er lächelte sanft und schenkte mir ein. »Kein großer Wein, den wir hier keltern. Aber für uns reicht er allemal.«
Ich kostete und fand, er hatte Körper, wenn auch etwas zu fruchtig. »
Paire
Dominicus, ob Euer Weg der richtige war, das kann ich nicht beurteilen. Aber ich entnehme daraus, dass Ihr durch das Teilen seiner Leiden vor allem Christus selbst nahe sein wolltet.«
»Vermessen, wie es war, aber ja, das wollte ich.«
»Was hat Vorrang,
Paire,
das Gebot Jesu oder das der Kirche?«
Seine Augen öffneten sich überrascht, und einen Augenblick lang sah er mich unsicher an. Auf eine solche Frage war er nicht vorbereitet.
»Nun, Jesus hat natürlich Vorrang«, erwiderte er nach kurzer Überlegung. »Wobei es nicht jedem gegeben ist, sein Wort richtig zu deuten. Das ist die Aufgabe der Kirche.«
»Das ist, was mich seit langem beschäftigt«, sagte ich. »Wir sind Soldaten, mein Freund hier und ich. Und Soldaten haben ihre Befehle. Über mehr grübeln sie selten, außer, wo man sich als Nächstes den Bauch stopfen kann, denn bei einem Feldzug scheint immer der Hunger mitzureiten.«
Paire
Dominicus lachte und schob mir noch ein Stück Blutwurst zu. »Dann greift zu,
Cavalier!
Davon haben wir genug.«
»Danke!«, erwiderte ich und biss hinein. Ich lud ihn ein, auf ein paar Schritte mit mir in den Klostergarten zu gehen, um ungestörter zu reden. Ein Stück Brot nahm ich mit, um der Wurst Gesellschaft zu leisten.
»Auch ich habe mir lange Zeit wenig Gedanken über die Welt gemacht«, fuhr ich fort. »Doch in den letzten Jahren schlafe ich schlecht, habe oft schlimme Träume. Die Galle verbittert meine gute Laune.«
»Was drückt Euch, mein Sohn?«
»Es ist, als ob die Toten nach mir greifen, Vater«, sagte ich. »Ihr feiert uns als Helden. Dabei sagt Gott:
Du sollst nicht töten.
Wisst Ihr, dass wir Krieger Christi durch Ströme von Blut gewatet ind, unser eigenes und das anderer? Damit zu leben ist eine Bürde geworden.«
Er sah mich mit mitfühlenden Augen an. »Wollt Ihr beichten?«
»Nein, nein! Ich will nur Eure Meinung. Ihr seid nicht nur ein Mann der Kirche, sondern wolltet Christus nacheifern. Sagt mir also, wie wird Gott uns richten für diese Taten?«
Er überlegte einen Augenblick, um mir die rechte Antwort zuteilwerden zu lassen. »Töten ist gegen Gottes Gebot. Das ist wahr. Aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Und besonders in Eurem Fall, denn Ihr habt für die gerechte Sache gekämpft. Für Christus.«
»Das ist eben die Frage. Muss man überhaupt für Christus töten? Das erscheint mir unsinnig und ein Widerspruch in sich selbst zu sein. Befahl er nicht Petrus, sein Schwert wieder einzustecken?«
Er sah mich verwundert an. Dann begann er, weiter auszuholen. Ich hatte ihn wohl an seinem Ehrgeiz gepackt. »Schaut her. Der Heilige Augustinus lehrt uns, dass der Mensch nach Adams Vertreibung aus dem Paradies in Sünde geboren ist. Allesamt sind wir elende Sünder und verdammt, auf ewig in der Hölle zu brennen. Nur Gottes Gnade kann uns vor diesem Schicksal bewahren. Und Gottes Gnade können wir nur erlangen, indem wir seiner Kirche dienen!« Er sah mir eindringlich in die Augen. »Die Kirche ist von Gott geheiligt, das wisst Ihr so gut wie ich. Sie verbreitet Gottes Wort und tut seinen Willen kund. Was Ihr getan
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