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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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euch!«
    Wenig später saßen wir im Sattel und winkten zum Abschied. Er stand unbeweglich unter dem Bogen der Pforte und sah uns nach, als wir über den Neuen Markt trabten. Vorbei an Graf Aimerics Palast, wo uns die Wachen neugierig beobachtet hatten, weiter durchs Wassertor und über die alte Brücke und am anderen Ende zum Stadttor hinaus.
    Trotz allem mag ich den alten Narren, dachte ich auf dem Weg in die blauen Berge der Corbieras, die sich im Morgendunst vor uns erhoben. Noch wusste ich nicht, dass es ein Abschied für immer gewesen war.
    ***
    »Ist morgen nicht eines eurer Christenfeste?«, fragte Hamid, nachdem wir schon die ersten Meilen hinter uns gebracht hatten.
    »Pfingsten!«, sagte ich.
    »Solltest du nicht deinen Glaubenspflichten nachkommen?«
    »Man muss nicht jedes Fest einhalten.«
    »Willst du kein guter Christ sein?«, spottete er.
    »Ich bin kein schlechterer als andere«, knurrte ich.
    Alles grünte und blühte auf den Wiesen und Feldern. Wir folgten nicht länger der Via Domitia nach Süden, sondern nahmen die Straße nach Westen in Richtung Carcassona und Tolosa. Später würden wir dann in südwestlicher Richtung den langen Ritt durch die Corbieras beginnen. Pferde und Hunde wollten laufen, und so ritten wir in leichtem Galopp durch die fruchtbare Küstenebene vor den Toren Narbonas.
    War ich ein guter Christ? Was ist überhaupt ein guter Christ? Der Bettelmönch, der Jesus nacheifert, oder der in Gold und Seide gewandete Kirchenfürst? Derjenige, der in allem die Lehren des Gekreuzigten beherzigt, oder der, der die Weisungen der Kirche befolgt? Und warum ist beides nicht dasselbe? In letzter Zeit hatte ich oft über diese Widersprüche nachgedacht. Als guter Christ hätte ich nie mit Sant Gille ins Heilige Land ziehen dürfen, um anderen Gewalt anzutun. Oder doch? Hatte ich alles verkehrt?
    Die Sonne stand noch nicht sehr hoch, da mussten wir die Tiere zügeln, denn Cortesa schrie erbärmlich um Hilfe. Sie war halb vom Sattel ihres Maultiers gerutscht und lief Gefahr, schwer zu stürzen. Verzweifelt und ungeschickt hing sie wie ein Sack Rüben am Sattelknauf. Brun erwischte ihr Reittier am Zügel, und Alexis sprang vom Pferd, um das Mädel aufzufangen.
    »Kannst du nicht reiten, Magd?«, rief ich gereizt.
    »Reiten ist für Herren, nicht für unsereins«, erwiderte sie trotzig.
    »Dann wirst du es lernen. Sitz auf!«
    Sie hatte ihre Haube verloren und strich sich eine widerspenstige Locke aus der Stirn. Alexis hielt ihr den Steigbügel, aber sie stampfte mit dem Fuß auf und machte ein entschlossenes Gesicht. »Ich gehe zu Fuß!«
    Damit ließ sie Alexis und das Maultier stehen und marschierte los. Wir starrten ihr mit offenen Mündern nach.
    »Setz dich auf das verdammte Maultier!«, schrie ich ihr nach. »So kommen wir nicht voran.«
    »Nein, Herr!«, rief sie über die Schulter. »Ich setz mich auf kein Viech mehr.«
    »Du verweigerst mir den Gehorsam?«, brüllte ich und schäumte vor Wut.
    »Das tu ich nicht. Aber reiten will ich auch nicht!«
    Hamid und Brun bogen sich vor Lachen.
    »Was ist da so witzig?«, knurrte ich.
    Alexis machte ein verlegenes Gesicht, sprang auf sein Pferd und jagte Cortesa nach. Adela schloss sich ihm an, und bald sahen wir beide heftig auf die Magd einreden. Die stapfte ungeachtet weiter und schüttelte nur ab und zu den Kopf. Zuletzt griff sie einen Erdklumpen vom Boden und warf ihn nach Alexis. Nun musste ich selbst lachen.
    »Ist mir nicht in den Sinn gekommen, dass sie nicht reiten könnte.«
    »Was soll’s, Jaufré«, meinte Hamid. »Wir haben doch Zeit. Ein Tag mehr oder weniger.« Und so bestimmte Cortesas Gangart das weitere Fortkommen unserer Reise.
    Morgens hatte ein scharfer Wind geweht, aber nun genossen wir die Maisonne, die sich bald immer stärker durchsetzte. Wer reist, setzt sich Gefahren aus, wobei die Unbill des Wetters noch das kleinste Übel darstellt. In strengen Wintern kommen manchmal Wölfe und Bären von den Bergen herunter, aber das wirklich gefährliche Raubtier ist der Mensch. Landgüter und Siedlungen sind wie Inseln der Zuflucht in einer oft feindlichen Welt. Wenn man schon reisen muss, dann nur bei Tageslicht, in Gruppen oder schwerbewaffnet, besonders durch einsame Gegenden. Wir führten Schätze mit uns, für die jeder Strauchdieb und Wegelagerer uns bedenkenlos ermordet und im Wald verscharrt hätte. Und manch armer Ritter auch.
    Brun ritt deshalb als Späher immer ein gutes Stück voraus und wartete auf uns an den

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