Der Bastard von Tolosa / Roman
einsamer Ort, doch gerade deshalb war ich nach Amelhas Tod oft hier gewesen. Die Felsen seien verwunschen, heißt es. Des Nachts trieben Teufel und Hexen ihr Unwesen, und Menschen, die sich herwagten, verschwänden ohne Spur. Dummes Zeug, aber ich beschloss, meinen Begleitern nichts von diesem Aberglauben zu erzählen.
Bald fanden wir die Stelle und verließen den Pfad, um den Grat zu erklimmen, der zu den Felsen hinaufführte. Von Buschwerk umgeben zeichneten sie sich dunkel gegen den Himmel ab. Bei ihrem düsteren Anblick konnte man die wilden Geschichten der Bauern verstehen.
»Der Ort heißt Taula de Sarasins, Tafel der Mauren.«
Ich bemerkte, wie Brun sich unsicher umsah.
»Wer mag solche Steine aufgetürmt haben?«, fragte sich Hamid.
»Es gibt ähnliche in der Gegend. Druidensteine vielleicht. Unter den Heiden soll es Menschenopfer gegeben haben, wenn man dem Volksmund glauben will.«
Brun konnte sich nicht zurückhalten. »Teufelszeug, Herr! Nur der Teufel kann solche Steine aufstellen.« Dann machte er ein verlegenes Gesicht.
»Ach was, Brun. Hier ist es friedlich. Niemand wird uns stören.«
Ich begann, die Sättel von den Pferden zu nehmen. Brun half mir, aber er sah nicht glücklich aus. Alexis errichtete unser Lager zwischen Sträuchern im Schatten der Steine. Von hier oben ließ sich das große Tal nach Süden überblicken und auf der Nordseite der Saumpfad, auf dem wir gekommen waren. Niemand würde uns überraschen können. Hinter den Felsen war der Hang mit Sträuchern und kleinen Bäumen bedeckt, deren Wurzeln sich tief in den kargen Boden gruben. Für die Gäule fanden wir eine mit Gras und Kräutern bewachsene Lichtung, legten ihnen lose Fußfesseln an und ließen sie grasen. Vom Saumpfad her waren sie dort nicht zu sehen. Auf ein Feuer würden wir verzichten, besser, keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Alexis legte ein einfaches Mahl für uns aus, das wir schweigend mit Blick auf die Landschaft, die uns zu Füßen lag, verzehrten. Über unseren Köpfen zog ein Bussard seine Kreise, und aus dem Tal hörten wir weit entferntes Blöken. Vielleicht die Schafherde, die hier früher am Tag durchgezogen war.
»Wie weit wir doch von Tripolis sind«, murmelte Hamid.
»Heimweh?«
»Ein wenig.«
»Mir fehlen die Kameraden.«
Vor allen Dingen fehlte mir Noura. Hamids Blick zeigte, dass er mich verstanden hatte. »Man wird sich daran gewöhnen müssen«, war alles, was er sagte.
Brun, der immer noch ein unglückliches Gesicht machte, sollte die erste Wache übernehmen. Er bemerkte meinen prüfenden Blick und setzte ein entschlosseneres Gesicht auf. Gut so. Einen Hasenfuß konnten wir nicht gebrauchen. Nach ihm würde ich die Wache übernehmen und zuletzt Hamid bis zum Morgengrauen.
Auf dem Schiff hatten wir nicht zur Jungfrau gebetet, aber nun richteten Adela und ich in der letzten Abendsonne unseren kleinen Altar auf einem Felsvorsprung her und luden auch Brun, Alexis und die Magd zur stillen Andacht. Adela konnte die Tränen nicht zurückhalten, als ihre Hand das Medaillon mit Nouras Locke umfasste, das sie am Hals trug. Später saß sie an mich gelehnt, während Hamid und Brun das Umfeld erkundeten. Mein Diener und die Magd unterhielten sich flüsternd etwas abseits, wo sie ihr Lager hergerichtet hatten. Auch Alexis musste sich fremd fühlen. Adela betrachtete im Licht der untergehenden Sonne das kleine Goldkreuz meiner Mutter. Die Hunde lagen dicht an uns geschmiegt und gaben im Halbschlaf kleine, wohlige Laute von sich. Sie hielten nichts von Bruns Furcht vor Teufelszeug.
»Warum müssen Menschen sterben, Vater?«
Ich hielt den Atem an, murmelte etwas Dummes über Gottes Wille und verstummte dann betreten. Was, zum Teufel, antwortet man einem Kind auf diese Frage?
»Ich will, dass du immer bei mir bleibst, Papa.«
Sie spürte also auch die Leere und Unsicherheit, das flaue Gefühl, als habe der Verstorbene uns irgendwie im Stich gelassen. Ohne ihn war die Bürde des Lebens noch schwerer geworden. Aber dann verscheuchte ich solche Gedanken und zog sie enger an mich.
»Ich bleibe immer bei dir, mein Herz.«
»Du versprichst es?«
Ich nickte.
»Und Hamid auch.« Sie sah lächelnd zu ihm auf, als er sich nach seinem Rundgang zu uns setzte. Ihr Blick fiel auf den seltsamen Ring, den ich trug. Sie zog ihn mir vom Finger und betrachtete ihn lange. Dann gab sie ihn an Hamid weiter.
»Adler und Schlangen? Was mag das bedeuten, Jaufré?«
»Ich weiß es nicht. Der Adler ist Wahrzeichen für
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