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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Herrschaft. Aber Schlangen? Die Schlange ist die Verführerin in der Bibel. Nur christlich kommt mir der Ring nicht vor.«
    »Sieht alt aus. Maurisch ist er jedenfalls nicht, denn Abbildungen sind im Koran verboten.«
    »Vielleicht stammt er von den Riesen, die dieses Grab errichtet haben«, sagte ich scherzhaft und küsste Adela auf die Nasenspitze.
    »Dann wäre er aber groß wie ein Armreif«, kicherte sie.
    Sie spielte mit Cecilias Goldkreuz und stellte Fragen über ihre
avia,
über meinen Vater Ramon, über Drogo, meinen Freund aus Kindertagen. Hingerissen lauschte sie unseren Streichen, wie wir den Mädchen im Dorf die Kleider am Fluss gestohlen hatten, so dass sie nackt zurück zum Dorf hatten laufen müssen. Plötzlich wurde mir bewusst, dass Adela ohne andere Kinder aufgewachsen war. Ich hoffte, ich würde ihr auf Rocafort noch ein wenig unbeschwerte Kindheit schenken können. Ihren Halbbruder Raol erwähnte sie mit keinem Wort.
    »Warum hast du Streit mit Onkel Odo? Du bist so anders, wenn du mit ihm sprichst.«
    »Eine alte Geschichte«, wich ich aus.
    »Hat es mit Berta zu tun?«
    Wir hatten seit Wochen Berta nicht mehr erwähnt. »In gewisser Weise. Aber du solltest jetzt schlafen. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag.«
    »Warum musstest du sie heiraten? Hat Odo es befohlen?«
    Ich nickte. »Ja, so war es.«
    Sobald ich von Schlaf gesprochen hatte, wurden ihre Augen immer kleiner. Sie drängte sich enger an meine Seite, und ich legte noch eine Decke um sie, denn in der Nacht würde es kühler werden. »Aber dann hast du Mama gefunden«, murmelte sie noch. Ihre Atemzüge wurden gleichmäßig. Das Tageslicht schwand, und wenig später betrachteten Hamid und ich schweigend den Mond, der langsam über den Bergen aufstieg. Unermüdlich zirpten die Zikaden ihr Lied, und der Blumenduft der
garrigue
hing noch warm in der Luft.
    »Deiner Tochter wolltest du nichts sagen, aber was war denn wirklich der Anlass eures Streits?«, fragte Hamid leise.
    »Nur eine Liebesgeschichte, Hamid.«
    Eines der Pferde schnaubte. Sonst war es still. Selbst die Zikaden schwiegen einen Augenblick. Ich nahm etwas Erde und Gras in die Hand und roch daran. Fast hatte ich diesen Geruch vergessen. Schon den ganzen Tag lang war es mir so gegangen. Ich sah und fühlte Berge, Bäume und Erde um mich herum wie zum ersten Mal, und doch weckten sie tausend Erinnerungen. Schon die Luft schien anders zu sein. Und mit den Gerüchen der Wälder und der Kräuter überfielen mich Gedanken an Amelha, als seien das Land und sie eins. Als würde sie jeden Augenblick wie eine Märchenfee aus dem Wald ins Mondlicht treten, sich zu mir legen und ihren Kopf mit dem schwarzgelockten Haar auf meinen Schoß legen.
    »Blutjung und verrückt vor Liebe. Du weißt, was ich meine.«
    Adela seufzte im Schlaf und drehte sich auf die Seite. Als sie wieder still war, erzählte ich, wie sie gewesen war, meine Amelha. Dunkelhaarig, helläugig, lebendig, geschmeidig, anschmiegsam und verspielt wie ein Kätzchen, doch nicht ohne Krallen. Schlagfertig und witzig. Sie konnte die Leute in Rocafort nachahmen, bis ich mich vor Lachen bog. Gleichzeitig war sie so hübsch gewesen, dass es einem im Herzen weh tat, wenn man sie nur anschaute. Nicht genug hatte ich von ihr bekommen können.
    »Manchmal spannen wir Träume, die wir in allen Farben ausmalten. Wie alle jungen Männer wollte ich in die Ferne ziehen, und sie würde sich dabei als mein Schildträger, mein
escudier,
verkleiden, und ich würde ihr beibringen, wie man eine Lanze schärft und ein Schwert führt. Dann würden wir von Hof zu Hof ziehen und Abenteuer bestehen. Der junge Ritter und sein schöner
escudier.
Und mehr solch dummes Zeug«, lachte ich. »Wie halbe Kinder eben.«
    Jener Sommer hatte nur uns gehört, in der Stille und Einsamkeit des Waldes, wo wir uns trafen, fern von der Welt der anderen, ein Sommer voller Lachen und geheimer Verzauberung. Wann sonst als in der Jugend ist man bereit, sich in so arglosem Überschwang, so unbeschwert und doch leidenschaftlich und völlig selbstlos einem anderen Menschen hinzugeben? Wir hatten unsere Heimlichkeiten, aber Sünde kannten wir nicht. Wir waren wie das erste Menschenpaar in Gottes Garten Eden.
    »Und so grausam wie in der Bibel war auch die Vertreibung aus dem Paradies.«
    »Was ist geschehen?«
    »Das Übliche. Amelha wurde schwanger. Nicht, dass meine Mutter etwas gegen eine Liebschaft oder gar gegen einen Bastard gehabt hätte. Die Herrensöhnchen

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