Der Bastard von Tolosa / Roman
Waffenknechte, angeführt von einem wettergegerbten Graubart mit dunkler Augenklappe. Schwerbewaffnete, grimmig dreinblickende Kerle. Die meisten von ihnen trugen ein mir unbekanntes Wappenzeichen auf den Schilden, eine angedeutete Burgzinne, darunter ein in eiserner Faust erhobenes Schwert. Vermutlich die Streife einer Burg aus der Gegend. Vielleicht hatten sie gar die Diebe aufgeknüpft. Wir hätten uns nicht verstecken müssen, und doch beschlich mich ein seltsames Gefühl, wie eine dumpfe Ahnung, dass man diesen Kerlen besser aus dem Weg ging. Was wieder einmal beweist, dass man solche Eingebungen nicht missachten soll, denn in der Tat würde ich dieses Wappen bald gründlich hassen lernen.
Nach einer Weile nahmen wir die Reise wieder auf. Aber unsere Fröhlichkeit war dahin. Meilenweit folgten wir der Straße, ohne jemanden zu Gesicht zu bekommen. Dann zog es noch schwärzer auf. In den Bergen grollte Donner, und mit einem Mal peitschte ein heftiger Regenguss auf uns herab. Wir fanden Zuflucht unter einer stattlichen Eiche, doch es schüttete so heftig, dass es auch hier bald durch die Zweige tropfte und wir uns zum Schutz in unsere Mäntel hüllten.
Adela fürchtete sich.
»Ein Frühlingsgewitter, mein Herz. Weiter nichts Schlimmes.«
Ein gewaltiges Donnerkrachen rollte durch das Tal. Es wurde langsam ungemütlich unter dem Baum, doch besser, als im strömenden Regen zu reiten, denn der fiel so dicht, dass man kaum mehr als zwanzig Schritte sehen konnte.
Plötzlich ließen sich dumpfe Hufschläge im Rauschen und Prasseln des Regens vernehmen, wurden rasch lauter, und dann tauchte schemenhaft eine dunkle Gestalt auf. Der Mann, wenn es einer war, lag weit über den Hals des Pferdes gebeugt und war in einen weiten, triefenden Umhang mit Kapuze gehüllt, die das Gesicht verbarg. Das Wasser strömte von Ross und Reiter, Schlamm spritzend trabte er heran, der Kopf drehte sich kurz zu uns herum, ein gegen den Regen zugekniffenes Auge, eine knochige Wange, ein triefender Schnauzbart vielleicht, und schon war er vorbei. Die Erscheinung verschwand, so plötzlich sie aufgetaucht war, und verlor sich in den Regenschwaden. Wären nicht die Hufabdrücke im Morast des Weges geblieben, man hätte an einen Geist glauben können.
»Wenn ihm unsere Gesellschaft nicht genehm ist, dann muss er mit dem Regen vorliebnehmen«, lachte ich. Es dauerte nicht lange, da hellte es auf, und der Regen hörte ebenso plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Schließlich wagten wir uns hervor und nahmen die Reise wieder auf. Von dem einsamen Reitersmann war weit und breit nichts mehr zu sehen. Bald schlug das verrückte Wetter vollends um, die Wolkendecke riss auf, und die Sonne kam hervor. Es wurde warm, und nun dampften die Wiesen mit unseren Kleidern um die Wette.
»
Senher,
auf ein Wort«, meldete sich Brun. »Der Reiter vorhin.«
»Was ist mit ihm?«
»Er passt auf die Beschreibung des Wirts in Narbona.«
»Wie kommst du darauf?«
»Er hatte einen Schnauzbart.«
»Den hast du auch, mein Junge.«
»Ich trage Vollbart.«
Ich blickte spöttisch zu ihm hinüber. »Wenn eine Kapuze dein halbes Gesicht verdeckt und der Mantel dazu das Kinn, dann hast auch du nur einen Schnauzbart.«
Er sah mich verdutzt an. »Das ist wahr. Daran habe ich nicht gedacht.« Nun musste er lachen. »Natürlich.«
»So gesehen trägt das halbe Land einen Schnauzbart, oder?«
»Das stimmt, Herr.«
»Mach dir keine Gedanken um den Kerl«, sagte ich leichthin.
Unter der Nachmittagssonne wurde es heiß, und die Zikaden begleiteten uns mit ihrem eintönigen Singsang. Felsige Hänge waren von Steineichen und Wacholder bedeckt, es gab ganze Haselnusswälder und noch mehr immergrünes Gebüsch, das auf den Höhenlagen ein fast undurchdringliches Dickicht von zehn oder mehr Fuß Höhe bildete. Am Wegrand stand Thymian. Dort, wo Feuer den Wald gefressen hatte, blühte gelber Ginster. An besonders sonnigen Stellen wuchs Rosmarin, daneben blühten Dutzende von Kräuterarten in allen Farben, und in hellen Lichtungen fand sich das sanfte Blauviolett der Lavendelblüten. Wir bewegten uns durch die
garrigue,
diese besondere Landschaft meiner Heimat. Ein steiniger, oft kalkiger Boden, der nur in den Tälern ertragreich ist, aber auf den trockenen Hängen eine Fülle an Farben und Gerüchen hervorbringt.
Ich stieg vom Pferd, pflückte einen Lavendelzweig und ließ Adela daran riechen. »
Mon Dieu,
wie das riecht!«, schrie sie verzückt. »Wir müssen das mitnehmen.
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