Der Bastard von Tolosa / Roman
trugen ihre Leidenschaft zu den Mägden, wen scherte das? Das war der Lauf der Welt. Erst als ich darauf bestand, sie zu heiraten, da war ihre Geduld am Ende. Ich hätte meinen Spaß gehabt, nun sei es genug. Sie drohte, mich zu enterben und wie einen Bettler von der Burg zu jagen. Eine Woche lang hielt sie mich bei Wasser und Brot gefangen, um meinen Widerstand zu brechen.«
»Ein beherztes Weib, die gute Cecilia«, grinste Hamid.
»Ja, sie konnte hart sein. Ein Gut wie das unsere ohne Mann zu führen, das hatte sie streng und unnachgiebig gemacht. Nach überliefertem Recht konnte sie mich zu allem zwingen.«
»Und dein Mädchen?«
»Ich habe sie nie mehr gesehen. Nicht lebend jedenfalls. Man hat sie zu ihren Eltern geschafft, und dort durfte sie das Haus nicht mehr verlassen. Der Müller hatte keine Wahl. Und warum sollte er sich widersetzen? Man gab ihm zehn Kühe, ein paar Maultiere mit Wagen und einen fetten Acker. Darüber war er äußerst zufrieden und bewachte seine Tochter mit dem eigenen Leben. Ich hätte Vater und Brüder ermorden müssen, um zu ihr vorzustoßen. Sie starb bei der Entbindung und unser Kind mit ihr. Erst auf dem Totenbett ließen sie mich zu ihr. Obwohl ich später weit Schlimmeres gesehen habe, so war ihr blutiger Leichnam doch der grausamste Anblick meines Lebens. Es verfolgt mich noch heute. Danach habe ich kein Wort mehr mit meiner Mutter geredet.«
»Trotzdem kann ich deine Mutter verstehen.«
»Natürlich. Solche Geschichten gibt es zuhauf, und Frauen sterben im Kindbett, daran ist nichts Neues. Aber erzähl das einem Achtzehnjährigen, der seine Liebste verloren hat.«
»Und Odo? Was war seine Rolle in dieser Geschichte?«
»Er hat mich zum Judas gemacht.«
Man müsse die Dinge wieder in Einklang mit Gottes Ordnung bringen, hatte er mir erklärt. Als junger Edelmann hätte ich Pflichten gegenüber der
familia
und all den Menschen, für die ich später einmal verantwortlich sein würde. Sie zu führen, würde meine Aufgabe werden. Doch dazu müssten sie mich achten können. Meine Waffenkunst allein reiche nicht aus. Und wie könnten sie einen
dominus
achten, der eine arme Müllerin heiratet? Lachen würden sie hinter meinem Rücken. Deshalb sei es geboten, standesgemäß zu heiraten. Und zwar schnell, um die bösen Mäuler zu stopfen, ein gutes Beispiel zu setzen und alles wieder zum Besten zu führen. Ich müsse meine Pflicht tun und den Anschein wahren. Das sei das Wichtigste. Nachher bliebe immer noch genügend Spielraum für mein eigenes Glück.
Hamid lachte. »Die Müllerin als heimliche
concubina?
Ich beginne, eure Sitten zu lernen.«
»Man würde Mutter und Kind anerkennen, ihnen ein Haus einrichten. Alles im Rahmen der Verschwiegenheit und des Anstands natürlich.«
»Und du hast zugestimmt.«
»Hatte ich eine Wahl? Bei uns ist ein Sohn so lange unmündig, bis er einen eigenen Hausstand gründet. Hätte ich mich enterben lassen sollen? Was hätte ich Amelha bieten können? Ein Leben im Sattel als
soudadier,
von einem Feldlager zum anderen? Und ein Kind dazu?«
»Gewitzt, dein Onkel. Schiebt dem Jungen schnell ein Eheweib unter, und er vergisst die Müllerin.«
»So ähnlich.«
»Ich sage dir, dein Onkel hat sich Mühe mit dir gegeben. Bei uns in Damaskus hättest du deine Amelha mit durchschnittener Kehle am Fluss gefunden. Dafür hätte schon ihr Vater gesorgt, um mit ihrem Blut die Ehre der Familie reinzuwaschen.«
»Das fändest du richtig?«
»Nicht mehr«, antwortete er grimmig. »Du hast dir also die Schuld an Amelhas Tod gegeben und bist zur Sühne auf die lange Wallfahrt nach Jerusalem aufgebrochen.«
»Erst später.«
»Ach ja«, spottete er. »Zuerst hast du noch von den Reizen der jungen Gattin gekostet. Sonst gäbe es ja keinen Sohn.«
»Du kannst gut spotten, aber so war es nicht!«
»Jaufré, es ist lange her. Warum quälst du dich immer noch?«
»Muss die Gegend sein«, brummte ich. »Da kann man den Erinnerungen nicht entfliehen.«
»Ich sage dir, was ich denke. Diese Geschichte war vielleicht der Anlass, dass du in die Fremde gezogen bist. Aber dann bist du ein Wanderer und ein Abenteurer geworden. In all den Jahren hast du dich weder um deine Mutter noch um Odo oder um deinen Sohn geschert. Ich habe auch nicht gemerkt, dass du mit Noura unglücklich warst. Der Krieg hat dir zuletzt zugesetzt, das ist wahr. Doch sei ehrlich. Die Abenteuer von Konstantinopel bis Jerusalem hättest du nicht missen mögen, oder?«
Ich senkte den Blick.
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