Der Bastard von Tolosa / Roman
bin.«
»Dein Vater brauchte dich, und Cecilia hatte es verboten.«
»Das ist wahr.« Dann fiel ihm etwas anderes ein. »Wo sind dein Pferd und dein Gefolge?«, fragte er. »Ein Mann wie du.«
»Nicht weit.« Ich trat ein paar Schritte zur Wiese hin und gab Hamid das verabredete Zeichen. Er würde die anderen holen. »Ich wollte erst mal sehen …«
»Warum die Heimlichkeit,
ome?
Wir sollten alle zusammenrufen und ein Fest feiern.«
»Ist alles in Ordnung hier?«, fragte ich schnell.
»Was soll nicht in Ordnung sein?«
»Viel Zeit ist vergangen. Dinge können sich ändern.«
»Nein. Es ist so wie immer! Hast du anderes erwartet?«
»Meine Mutter ist tot, hörte ich.«
»So ist es, und es tut mir leid, Jaufré. Schon lange her. Und sie hat nicht gelitten. Ein bockiger Gaul war es. Schlecht zugeritten. Aber sie hatte darauf bestanden, das Viech zu reiten.«
»Und Berta?« Die Frage hatte ich bis zuletzt aufgehoben.
»Berta?« Er kratzte sich den kurzen Bart und warf mir einen prüfenden Blick zu. »Tja, Berta scheint es auch gutzugehen. Obwohl, ich muss dir ehrlich sagen …«
»Was?«
»Es kann sein, dass sie nicht gut auf dich zu sprechen ist.« Dabei lachte er verlegen.
»Kommst du mit ihr zurecht?«
»Ich kann nicht klagen«, war die vorsichtige Antwort. »Sie ist eine gerechte Herrin.«
Inzwischen stiegen die anderen von den Pferden und schauten sich neugierig um. Alexis half seiner Cortesa aus dem Sattel. Brun band die Gäule vor der Schmiede an die rostigen Ringe, die in der Wand eingelassen waren. Ich legte meinen Arm um Drogos Schultern und stellte meine Gefährten vor. Zuletzt schlüpfte Adela an meine Seite und lächelte scheu zu ihm auf.
»Das ist Adela, meine Tochter. Ich habe ihr von dir erzählt.«
Drogo machte große Augen. »Eine Tochter hast du. Und noch dazu aus dem Morgenland.« Mit einem freundlichen Grinsen verbeugte er sich tief vor ihr. »Willkommen auf Rocafort,
petite domna!
«
Inzwischen hatten Brun und Alexis den jungen Enric vom Pferd gehoben und setzten ihn auf einen Schemel, den Drogo aus der Schmiede geholt hatte. Der Verband hatte sich gelöst, und die Wunde blutete wieder. Ich erzählte in knappen Worten von dem Überfall, während Hamid die Wunde mit frischem Wasser auswusch und neu verband.
»Nemo?«, meinte Drogo nachdenklich. »Der Name ist nicht unbekannt in der Gegend. Soll viel Zulauf haben von Gesetzlosen und Vogelfreien.«
Ich fragte Drogo, ob er Enric nicht aufnehmen könne. In diesem Augenblick schaute der hübsche Kopf einer jungen Frau mit zerzausten, dunklen Locken aus der Haustür, der aber gleich wieder mit einem erschrockenen Aufschrei zurückfuhr, als sie den Auflauf fremder Menschen vor der Schmiede gewahrte.
»Gisla, mein Herz«, rief Drogo fröhlich. »Sieh nur, wer heimgekehrt ist.« Mit diesen Worten lief er zur Tür und zog sie auf die Straße, wobei die Frau sich noch hastig eine helle Leinenhaube umband, um ihr Haar zu verstecken. Er stellte sie als sein Weib vor. Man konnte sehen, wie stolz er auf sie war. Sie mochte zehn Jahre jünger sein als Drogo. Eine hübsche Frau mit einem gewinnenden Lächeln, die vor mir knickste und vor Schüchternheit den Mund nicht aufbekam. Ich sah ihr forschend ins Gesicht, doch sie kam mir nicht bekannt vor.
»Gisla ist aus einem Dorf bei Quilhan. Wir haben vor drei Jahren geheiratet, nachdem Maria, meine erste Frau, verstorben war.«
»Maria ist tot?«
Maria war eines der Mädchen aus dem Dorf gewesen, denen wir nachgelaufen waren. Inzwischen waren mehr und mehr Menschen aus den Hütten getreten, Männer riefen ihre Weiber und umgekehrt, bis es bald schien, als stünde das ganze Dorf um uns herum. Manche erkannten mich zuerst nicht, andere mochten ihren Augen nicht trauen, viele bekreuzigten sich und gafften offenen Mundes. Eine alte Magd fiel vor mir auf die Knie und küsste weinend meine Hand.
»O Senher«,
schluchzte sie. »Dass ich Euch noch einmal sehen durfte.«
Ich hob sie an den Händen auf und küsste ihre Wange. »Loisa! Du wirst mich ab jetzt jeden Tag sehen, denn ich bin für immer heimgekehrt.«
Dann stand der alte Albin vor mir, Drogos Vater. Fast hätte ich ihn nicht erkannt, so sehr hatte ihn die Gicht gekrümmt.
»Jungchen«, murmelte er bewegt und tätschelte meine Wange. Plötzlich versuchte er, Haltung anzunehmen. »
Escusa,
Senher.
Ich wollte nicht unhöflich sein.«
»Nenn mich, wie es dir beliebt, Albin, denn ich bin froh, dich zu sehen.« Ich umarmte ihn herzlich. Er war
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