Der Bastard von Tolosa / Roman
sein Schwung hatte den Riesen an mir vorbeigetragen und aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich gab ihm einen guten Hieb auf den Helm, nicht gefährlich, doch es wischte das Grinsen von seinem Gesicht. Dann lief ich in den freien Raum und wartete auf ihn. Diesmal kam er vorsichtiger mit erhobenem Schild und lauernden Augen. Wieder schwang die Axt ins Leere, denn ich war flink an ihm vorbei auf seine linke Schildseite gelaufen. Und als er mir schwerfällig folgte, stand ich schon wieder woanders.
So ging es noch einige Male. Er drehte sich wie ein Kreisel, bekam mich jedoch nicht zu fassen. Langsam wurde er wütend und grunzte verdrießlich. Ich täuschte vor, zu straucheln, und ließ mich auf ein Knie fallen. Da sah er seine Gelegenheit und setzte sich in Bewegung, so schnell er konnte. Doch im letzten Augenblick sprang ich auf die Füße, um seinen Axthieb abermals ins Leere gehen zu lassen, während ich darunter wegtauchte, mich um die eigene Achse drehte. Dabei erwischte ich ihn knapp über dem Kniegelenk. Er schrie auf, mehr vor Wut als vor Schmerz, drehte sich, um mich zu fassen, aber da stand ich schon wieder hinter ihm. Mit einem schnellen Stoß in den Nacken hätte ich ihn jetzt vielleicht töten können, aber sicherheitshalber tanzte ich aus der Reichweite seiner Waffe und lachte ihm ins Gesicht.
»Was ist los, Ochse?«, spottete ich. »Hat dich eine Hornisse gestochen?«
Blut tränkte sein rechtes Beinkleid und lief ihm in den Stiefel. Ich hatte getroffen, aber nicht gut genug. Der Kampf hatte mich aufgewärmt, ich stand leichtfüßig auf den Beinen, das Blut sang mir in den Ohren, und die Sache begann, mir Vergnügen zu machen. Sollte er kommen, ich war zu mehr bereit. Aber der Bursche war vorsichtig geworden und beäugte mich misstrauisch.
Inzwischen musste Berta aus ihrer Betäubung erwacht sein. Vielleicht war es das Blut, das auf die Wiese tropfte, denn plötzlich schrie sie außer sich vor Zorn und in einem schneidenden Befehlston, den ich ihr gar nicht zugetraut hätte.
»Jetzt ist es genug!«, brüllte sie. »Hört auf! Schluss damit!«
Sie packte einen der noch vollen Weinkelche und schleuderte dem Riesen den Inhalt in die Augen. Der wankte sichtlich verdutzt über den unerwarteten Angriff.
»Robert!«, tobte sie. »Ruft sofort diesen Schlächter zurück. Was fällt Euch eigentlich ein? Auf meinem Land gibt es kein Gottesurteil. Nicht solange ich Herrin bin.«
»Keine Sorge!«, rief ich und lachte. »Der Ochse ist so gut wie tot.«
Der Riese hob die Axt und sammelte sich für einen neuen Angriff. Da hörte ich das unverkennbare Zischen eines Pfeils und einen dumpfen Aufschlag. Erstaunt starrte der Goliath auf den noch zitternden Pfeilschaft zwischen seinen Beinen.
»Du hast die
Domna
gehört!«, tönte Hamids Stimme hinter uns. »Der nächste Pfeil ist tödlich. Wer sich zuerst bewegt, stirbt zuerst! Oder soll ich bei Robert, Eurem Herrn, anfangen?«
Alles war plötzlich still. Ich blickte mich um. Hamid stand auf dem Dach der Schmiede und hatte bereits einen neuen Pfeil angelegt. Neben ihm zwei andere aus dem Dorf mit Jagdbögen im Anschlag. Auf Hamid war wie immer Verlass, dachte ich erleichtert.
»Mein Freund trifft besser als der Teufel, Borcelencs!«, sagte ich grinsend. »Und er hat mehr Türken auf dem Kerbholz, als Euer Kampfochse hier Läuse hat. Falls Ihr leben wollt, befehlt Euren Männern, sich zurückzuziehen!«
Und so endete das Gottesurteil.
Brun und Jaume sammelten die Waffen ein, immer bemüht, nicht in Hamids Schusslinie zu kommen. Der Riese hinkte zu seinen Kameraden und hinterließ eine feine Blutspur auf dem Gras. Robert schaute zornig um sich, die beiden Jungs bekamen die Münder nicht zu, und die Dorfgemeinschaft begann erst zögerlich, dann immer heftiger zu jubeln.
Warum Berta mir einen missbilligenden Blick zuwarf, konnte ich mir nicht erklären. Hatte sie gemerkt, dass ich in Wahrheit Roberts Ochsen gern geschlachtet hätte? Ich zuckte mit den Schultern. Was soll’s? Und dann musste auch ich lauthals lachen.
Bei aller Erleichterung und Fröhlichkeit über diesen glimpflichen Ausgang endete die Sache zuletzt doch mit einem Tropfen Bitterkeit. Robert hatte es so eilig, von Rocafort fortzukommen, dass er seinen Dienern nicht einmal die Zeit gab, den prachtvollen Baldachin auf einem der Packtiere zu verstauen. Nur die kostbaren Weinkelche samt Karaffe wurden hastig in eine Satteltasche gesteckt, dann begannen die ersten seiner
soudadiers,
aufzusitzen. Einer der
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