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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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zahlen sie mir ihren Zins für meine Einlage. Ja, wir haben gut gewirtschaftet, Joan und ich, und Raol wird es mir eines Tages danken.
    ***
    »Ist das nicht der Dolch, den Euch Graf Bertran geschenkt hat?«
    Ich reichte ihm die Waffe. Aimar ergriff sie ehrfürchtig wie eine Reliquie. Er bewunderte von allen Seiten die eingefassten Edelsteine und elfenbeinernen Einlegearbeiten und zog schließlich die lange Klinge aus der verzierten Scheide.
    »Warum ist sie krumm?«
    »Eine Klinge für Mörder«, sagte ich scherzhaft, packte das Heft so, dass die gebogene Spitze nach oben wies, und berührte ihn damit unter dem Brustbein. »Hier mit Kraft zugestoßen und nach oben gedrückt, dann durchbohrt sie das Herz.« Ich machte ihm die Handbewegung vor.
    »Jes Maria!«,
rief er erschrocken.
    »Jeder Araber trägt so einen Dolch. Je mehr ein Mann auf sich hält, je kostbarer und verzierter ist er.«
    Ich räusperte mich ausgiebig, denn nun war es Zeit, Ernsthafteres zu besprechen. »Es gibt da einen wichtigen Grund, warum ich dir meine Geschichte erzähle.«
    »Ich weiß!«
    »Du weißt?« Ich fuhr erstaunt zurück. »Was weißt du?«
    »Eigentlich nichts«, beeilte er sich zu antworten. »Mein Prior hat nur gesagt, falls der
Senher
mir etwas unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertrauen würde, dürfe ich niemandem in der Welt davon erzählen, nicht einmal den Hauch einer Andeutung machen.«
    »Was noch?«
    »Nur, dass es eine Ehre sei, wenn Ihr mir vertraut.«
    »Na schön. Du weißt ja wohl, was eine
chronica
ist.«
    »So wie die von
Paire
d’Aguiliers?«
    »Richtig! Und Ähnliches hält man auch über das Geschick einer Familie fest, damit spätere Generationen sich erinnern.«
    »Soll ich wieder etwas zum Schreiben holen?«
    »Nein, nein! Denn unsere
chronica
ist geheim! Sie ist nur für meinen Sohn bestimmt.«
    »Sonst darf es niemand wissen?«
    »Niemand!«
    »Auch nicht Eure Tochter?«
    »Auch nicht Adela!«
    »Warum?«
    »Weil sie in eine andere Familie eingeheiratet hat. Und ihren Ehemann betrifft die Sache am allerwenigsten.«
    »Dann geht es Eurer Tochter also gut?«
    »Es geht ihr gut.«
    »Ist sie wirklich so hübsch, wie Ihr sagt?«
    »Davon kannst du dich bald selbst überzeugen, denn sie wird zu
Toussant,
dem Allerheiligenfest, erwartet.«
    Unsere vielen Heiligen. Hamid nennt sie belustigt die kleinen Götter der Christen. Das sollte er besser nicht laut sagen, aber ich bin fast geneigt, ihm zuzustimmen, denn an jedem Tag des Jahres gedenken wir eines anderen Heiligen.
Sanctus
dieser oder
Sanctus
jener. Die meisten Menschen kennen kaum den Kalender, aber die Heiligentage, die haben sie im Kopf. Am Sankt Medardus wird es Zeit fürs Heumachen, und wenn Sankt Joan naht, dann schärfen sie schon die Sicheln für die Weizenernte. So ist das ganze Jahr den Regeln und dem Wohlwollen der Heiligen unterworfen. Inbrünstig erfleht man ihren Schutz, wobei jeder Heilige da so seine eigenen Fähigkeiten besitzt. Sankt Antonius hält das Vieh gesund, und von Petrus erfleht man gutes Wetter. Und zur frommen Erbauung der armen Sünder, die wir ja alle sind, dienen sie uns als Vorbild.
    »Prior Jacobus will die Messe lesen. Ich habe vergessen, es auszurichten.«
    »Ah! Umso besser.« Es freute mich, den alten Mönch wiederzusehen. »Wenn du möchtest, bist du eingeladen.«
    »Werdet Ihr mich Eurer Tochter vorstellen?«, fragte er aufgeregt.
    »Warum nicht? Aber mach dir keine Hoffnungen. Sie ist ein bisschen zu reif für dich«, erwiderte ich trocken, und Aimar wurde gleich wieder rot. »Außerdem ist sie verheiratet und hat zwei Kinder. Ein dreijähriges Mädel mit Namen Ada und einen siebenjährigen Sohn. Arnaut heißt er.«
    »Ich bin froh, dass es ihr gutgeht«, sagte er und lächelte.
    Unser Gespräch war nun schon wieder in falsche Richtungen gewandert. »Hör auf, mich dauernd zu unterbrechen«, ließ ich deshalb ungeduldig vernehmen.
    »Perdona me,
Senher!«
Seine blauen Augen sahen mich treuherzig an. »Aber was ist mit Eurem zweiten Sohn? Habt Ihr nicht erzählt, da war ein Junge namens Martin?«
    »Ja natürlich«, seufzte ich. »Und du erinnerst mich an ihn. Obwohl du ihm nicht wirklich ähnlich siehst.« Jedes Mal, wenn ich an Martin dachte, spürte ich einen Stich im Herzen, denn er war mir von allen der Liebste gewesen. »Von ihm erzähle ich dir später. Jetzt geht es um Raol.« Ich sah ihn ernst an. »Bist du also bereit, die Geschichte unserer
familia
vor fremden Ohren zu bewahren und dies auf der Bibel

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