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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Arme, die sie schützend vor der Brust verschränkt hielt. Dabei stieg ihr so die Röte ins Gesicht, dass sie regelrecht glühte. Das war mein erster Eindruck von Berta gewesen. Eine linkische Halbwüchsige, die nicht wusste, was sie sagen oder mit ihren Armen anfangen sollte. Noch dazu eine fade Blonde. Von denen hatten wir gottlob nicht so viele in unserer Gegend.
    »Fade Blonde?«, fragte Hamid.
    »Na ja. Eigentlich sah sie recht gefällig aus«, gab ich zu und lachte. »Aber damals war ich entschlossen, kein gutes Haar an ihr zu lassen.«
    »Und die Hochzeit war ein Riesenfest, nehme ich an.«
    »Das war es. Obwohl mir alles schrecklich peinlich war.«
    Odo hielt die Messe früh am Ostersonntag auf der Wiese vor der Burg ab. Aus der ganzen Gegend hatten sich die Leute eingefunden. Noch nie hatten sie die
pasquas
mit einem Erzbischof in ihrer Mitte feiern dürfen. Noch dazu eine Hochzeit im Anschluss. Sie drängten sich um Berta, besonders die Frauen, und betasteten ihre feinen Kleider, denn es bringt Glück, die Braut vor der Hochzeit zu berühren.
    Es war ein schöner Frühlingstag und warm für Anfang April. Doch selbst wenn es in Strömen gegossen hätte, ich wollte es nur schnell hinter mich bringen. Man hatte mir die besten Kleider angelegt, so dass ich mir wie einer jener festlich geschmückten Ochsen vorkam, wenn die Hirten sie im Frühjahr in die Berge treiben. So stand ich vor Erzbischof Odo im Kreis all dieser Menschen neben der ebenso herausgeputzten Berta. Er sprach die Worte des Ehebundes und segnete uns. Die Menge jubelte, Berta hob ihren Schleier, und meine Lippen berührten flüchtig ihre Wange. Dabei wurde sie wieder schrecklich rot, und ich glaube, es war uns beiden ziemlich unangenehm.
    »Das denkst du!«, lachte Hamid. »Sie hat es bestimmt genossen. Alle Weiber, ob alt oder jung, sind verrückt nach Hochzeiten.«
    Sie zogen uns fort zu den aufgebockten Tafeln auf der Wiese, wo meine Mutter das große Festmahl hatte anrichten lassen. Odo hielt unter den adeligen Herrschaften Hof. Etwas abseits empfing Cecilia Bauern, die um einen Gefallen baten, so wie es bei uns auf dem Lande bei so einer Gelegenheit üblich ist. Rotgiers betrank sich maßlos, und Lisette, seine Frau, zupfte ständig an Bertas Kleid, um sie möglichst vorteilhaft erscheinen zu lassen. Später merkte ich, wie meine Mutter forschend von der anderen Seite der Tafel zu mir herüberblickte. Sie versuchte ein vorsichtiges Lächeln in meine Richtung. Aber ich wandte ihr schnell den Rücken zu.
    »Ja, es wurde sehr ausgelassen. Die Bauern betranken sich, und alle fraßen uns die Vorratskeller leer.«
    So war der Nachmittag dahingegangen. Da stimmten sie die Fiedel und bliesen auf Flöte und Dudelsack. Das Volk begann, zum Tanz zu stampfen, die Mägde drehten sich, dass die Röcke flogen. Den ganzen Nachmittag hatte ich Berta gelegentlich zugelächelt, wenn es sich nicht vermeiden ließ, mich aber geschickt von ihr ferngehalten. Nun schrien alle und wollten nicht Ruhe geben, bis wir beide auf dem Tanzboden waren. Sie klatschten im Takt der Musik und feuerten uns an. Anfangs ging es noch unbeholfen, und einmal wäre Berta fast über ihr langes Kleid gestolpert, aber bald drehten wir die Runden und duckten uns unter den Girlanden und bunten Bändern zum Beifall der Gäste. Berta bewegte sich geschmeidig, und sie schwang ihre Beine nicht schlechter als die flinksten Mädels im Dorf. Selbst ich fand Gefallen daran.
    »Und wie war die erste Nacht?« Hamid grinste erwartungsvoll.
    »
Mon Dieu,
was bist du neugierig!«, entgegnete ich steif. »Dazu ist es jedenfalls nicht mehr gekommen. Man rief mich fort, weil Amelha im Sterben lag.«
    Wir schwiegen eine Weile. Aber Hamid wollte immer noch keine Ruhe geben. »Das heißt, du hast mit ihr getanzt, und mehr war nicht?«
    »Mehr war nicht.«
    Natürlich war mehr gewesen, aber an diese Wunde hatte ich jahrelang nicht mehr gerührt. Und hatte es auch jetzt nicht vor.
    »Und wie sind deine Söhne entstanden?« Er grinste frech.
    »Nicht so, wie du denkst!«
    Er merkte, dass ich nicht darüber reden wollte, und drang nicht weiter in mich. Nein, ich wollte ihm wirklich nicht von meiner Scham erzählen, von den Schuldgefühlen, die ich damals durchlitten hatte.
    Schuld an allem war dieser unselige Kuss gewesen. Was ist schon ein Kuss, fragt man sich. Aber der hier hatte es in sich gehabt.
    Berta hatte es verstanden, mich nach dem Tanz schüchtern lächelnd vom Fest wegzuziehen und zu einem

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