Der Bastard von Tolosa / Roman
wollte, war es, als würde ich in Nebel greifen. Sie wich vor mir zurück, und ihre Augen glühten. Sie wurde alt vor meinen Augen, runzlig und verhärmt, und ihr hässlicher Mund spuckte Feuer und verfluchte mich. Rache, flüsterte die Alte. Rache!
***
Ich erwachte und fuhr hoch.
Das Herz schlug wild, und Schweiß stand mir auf der Stirn. Es war, als müsste ich ersticken.
Putan,
ich hatte sie immer noch, diese Alpträume! Und die verdammte Alte aus dem Bekaatal wollte mich nicht loslassen. Ich atmete tief durch. Maria beschütze uns!
Ora pro nobis peccatoribus!
Ich bekreuzigte mich und trank einen ganzen Becher Wasser in einem Zug.
Neben mir hörte ich Hamids gleichmäßigen Atem.
Wir hatten den Abend bei einem Krug Wein auf dem Turm verbracht und unsere Vorbereitungen noch einmal durchgesprochen. Hamid fielen zuletzt die Augen zu, und so hatten wir uns auf meinem Lager ausgestreckt, das breit genug für eine Familie war, und waren eingeschlafen.
Nach dem Traum wälzte ich mich von einer Seite auf die andere und konnte nicht mehr schlafen. Ich gehöre nicht zu denen, die versuchen, in jeden Traum etwas hineinzulesen, aber die Augen der alten Hexe verfolgten mich.
Schließlich stand ich vorsichtig auf, um Hamid nicht zu wecken, und suchte im fahlen Mondlicht, das durch die schmalen Turmfenster fiel, nach dem Nachttopf, um mich zu erleichtern. Dann sah ich aus dem Fenster. Es war windstill und schwül draußen. Eine Wolke zog über den Mond und warf ihren Schatten über die Landschaft. Da sah ich plötzlich Berta vor meinen Augen, wie sie beim Heumachen aus meinem Wasserschlauch getrunken hatte, ihre weiche Kehle, die samtenen Arme, Wangen von der Hitze gerötet und das Rinnsal Wasser, das ihr den Hals hinunter in den Ausschnitt gelaufen war. War sie die blonde Frau in meinem Traum? Unsinn! Ich hatte wohl zu lange nicht mehr bei einem Weib gelegen. Ja, das musste es sein, dachte ich gereizt und versuchte, Nouras Antlitz heraufzubeschwören. Aber es wollte mir nicht recht gelingen. Stattdessen sah ich Bertas blonden Haarschopf und ihren schlanken Leib, wie sie mit den Frauen auf der Wiese arbeitete.
»Warum schläfst du nicht?«, fragte Hamid verschlafen.
»Ich hatte einen üblen Traum.«
»Willst du ihn mir erzählen?«
»Nein. Es ist nicht wichtig. Ich werde bei den Wachen nach dem Rechten sehen und frische Luft schöpfen.«
»Gut«, sagte er und war mit einem Sprung aus dem Bett. »Ich komme mit. Es ist wirklich stickig heute Nacht.«
Ich nahm den Wasserkrug mit, und wir stiegen die Stufen zur Turmzinne hinauf. Auf der Plattform standen Lois Bertran und der dicke Berlan und spähten in die Dunkelheit. Nach ein paar freundlichen Worten schickten wir sie schlafen, um die Wache bis zur nächsten Ablösung selbst zu übernehmen. Die Wolke am Himmel war weitergezogen, und im Licht des weißen Halbmondes hoben sich die Felder scharf gegen den dunklen Waldrand ab.
»Die Corbieras unter dem Zeichen des Halbmondes«, scherzte ich. »Übrigens habe ich dich schon lange nicht mehr beten sehen.«
Hamid lachte. »Das ist wahr. Es muss dieses gotteslästerliche Land sein. Kein Imam, der vom Minarett ruft, keine Moschee. Wie soll ein armer Muslim da die fünf Säulen des Islam beherzigen?«
»Du verwilderst unter uns Ungläubigen«, grinste ich.
Wir spähten aufmerksam in alle Richtungen, aber nichts regte sich. Die Tore zur Burg waren sorgfältig verschlossen, denn ein heimlicher Nachtangriff war möglich, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich. Das Schlimmste im Krieg ist immer das Warten.
»Es muss schwer für Berta sein«, sagte Hamid. »In wenigen Tagen hat sich alles in ihrem Leben verändert.«
»Und das ist meine Schuld, meinst du?«
»Ich denke, du solltest dein Herz ein wenig für sie öffnen.«
»Mein Herz?«
Was hatte mein Herz mit Berta zu tun? War es doch eher mein Verstand, mit dem ich zu ringen hatte, denn auch für mich hatte sich einiges verändert. Verwirrende Erkenntnisse, Halbwahrheiten und Rätsel. Nichts war mehr so eindeutig und klar wie noch vor Wochen. Berta und meine Söhne, Ramon in der Mühle. Odos abenteuerliche Andeutungen, plötzlich ein Borcelencs in meinem Leben. Was hatte das alles zu bedeuten? Durch die fieberhafte Arbeit in den letzten Tagen war ich kaum zur Besinnung gekommen. Ich brauchte Zeit, musste nachdenken, mir einen Reim auf alles machen.
»Erzähl mal von deiner Hochzeit«, sagte Hamid.
»Was für eine Hochzeit?«
»Wie war es, als du sie zum ersten Mal gesehen
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