Der Bastard von Tolosa / Roman
Spaziergang zu überreden. Das konnte ich ihr nicht verwehren. Sie sei die langen Röcke nicht gewohnt, hatte sie atemlos gestanden, als wir durch die Felder schlenderten und uns von der Abendbrise kühlen ließen. Sie sei mit Brüdern aufgewachsen und eher gewohnt, den Tag im Sattel zu verbringen, als Kleider zu tragen und am Stickrahmen zu arbeiten. Hastig fügte sie hinzu, sie habe natürlich auch Frauenhandwerk gelernt, so dass ich mich ihrer nicht würde schämen müssen. Ich entgegnete, ich hätte für heute genug von feinen Kleidern und dass die verdammten Stiefel mich drückten. Darüber mussten wir beide lachen. Ihre Wangen waren vom Tanzen gerötet, und die fröhliche Miene stand ihr gut zu Gesicht. Den Schleier hatte sie sich vom Kopf gerissen, und ihr blondes Haar wehte im Wind. Eigentlich war sie hübscher, als es mein erster Eindruck gewesen war. Dass ich sie anziehend fand, verwirrte mich.
Sie sei froh, sagte sie, dass jemand wie ich ihr Bräutigam sei und nicht so ein alter Kerl. Die Tochter vom Nachbargut hätte einen alten Mann heiraten müssen, von über vierzig Jahren, mit braunen Zähnen und einem Bauch. Dabei war sie in fröhliches Gelächter ausgebrochen, und ich hatte eingestimmt.
Während die meisten Frauen mir nicht weiter als bis zur Schulter reichen, war Berta nur einen knappen Kopf kleiner als ich. Sie hatte sich eingehängt, und wir wanderten den Weg zur nächsten Anhöhe hinauf, während sie mich über meine Familie und die Menschen auf der Burg und im Dorf ausfragte. Danach erzählte ich vom Gut meines Onkels und der Waffenausbildung, die ich dort hinter mir hatte. Ihre Neugierde schmeichelte mir. Sie hatte sich eng bei mir eingehakt, und von Zeit zu Zeit berührten sich wie zufällig unsere Hüften. Beim Gehen lauschte sie aufmerksam meinen Erzählungen und wandte sich mir zu, um in mein Gesicht zu blicken. Dabei strich ihr weicher Busen manchmal ganz sanft an meinen Oberarm. Ich glaube, sie dachte sich nichts dabei, aber jede dieser winzigen Berührungen erregte mich und fuhr mir wie ein Blitz durch den Körper. Ich ertappte mich dabei, wie ich hungrig ihre vollen Lippen anstarrte.
Berta hatte gemerkt, dass ich ihr nicht zuhörte, sondern meine Aufmerksamkeit woanders lag. Eine neue Röte stieg ihr vom Hals in die Wangen, und die war nicht vom Tanzen. Sie hob die großen Augen zu mir und sah mich ernst an. In der Abendsonne gewahrte ich winzige Fleckchen in ihrer Iris. Ich schien im Blaugrün dieser Augen zu versinken wie in einem tiefen Teich, sah nur noch die halb geöffneten Lippen, die sich mir darboten, mich wie von Hexenhand anzogen, bis ich ihren roten Mund zuerst sanft und dann immer drängender küsste. Sie warf die Arme um meinen Hals, ich spürte ihren Busen an meiner Brust und ihre Lenden, die sich an mich drückten. Es raubte mir den Atem und den Verstand. Während unsere Münder verschmolzen, schien der Boden unter mir zu wanken, die schon niedrige Sonne, deren Strahlen durch meine geschlossenen Lider drangen, drehte sich in verrückten Kreisen, ich fürchtete zu fallen, und es hätte nicht viel gefehlt, und wir wären in die Gräser und ersten Frühlingsblumen gesunken.
Unverhofft und unerwünscht zugleich zerstörte lautes Rufen den Zauber dieses Augenblicks. Drogo schrie von weitem und kam auf uns zugelaufen. Wir fuhren, wie ertappt, auseinander, aber er hatte genug gesehen.
»Während du dich hier vergnügst, verblutet sie im Kindbett. Schämen sollst du dich«, schrie er wütend und rannte wieder davon.
Mir stieg brandheiß das Blut ins Gesicht. Ja, ich schämte mich. Wie schnell ich bereit gewesen war, alle Treueschwüre in den Wind zu schlagen und mich schamlos und wie ein Tier mit diesem blonden Mädchen zu paaren. Drogo hatte recht, ich war nichts als ein treuloser Schurke.
Berta stand wie zu Eis erstarrt. Sie verstand wenig, außer, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Und wie ich sie anstarrte, verwandelte sich meine Scham in Wut auf sie, die Verführerin. Wortlos ließ ich sie stehen und rannte Drogo hinterher.
Ein junger Bursche lässt sich verführen, der Körper fordert sein Recht, was ist schon dabei, würde so mancher sagen. Aber damals war ich in einem Alter, wo man Dinge wie ewige Treue mehr als ernst nimmt. Gerade weil der Kuss mich so heftig erregt hatte, umso grässlicher der Gedanke, dass zur selben Stunde Amelha im Todeskampf gelegen hatte. Und so verschmolz meine niederträchtige Lust mit Amelhas bleichem Gesicht auf dem
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