Der Bastard von Tolosa / Roman
hast?«
»Wen?«
»Berta natürlich. Wie war sie als junges Mädchen?«
»Warum willst du das wissen?«
»Bisher war immer nur von der Müllerstochter die Rede. Aber die ist längst Vergangenheit. Lass uns von Berta sprechen. Hast du sie schon vor der Hochzeit kennengelernt?«
»Nein.«
»Ah. Wie bei uns Arabern also«, grinste er. »Alles von der Familie verabredet. Das junge Paar sieht sich zum ersten Mal, wenn es eigentlich kein Zurück mehr gibt.«
»So ähnlich.«
»Also erzähl schon!«
»Eine peinliche Angelegenheit. Ich wollte es endlich hinter mich bringen, so wie man mit einem Geschwür zum Bartscherer geht, damit er es aufsticht, verstehst du?«
Ich erzählte, wie das Gesinde auf der Burg in aufgeregte Geschäftigkeit verfallen war, um alles vorzubereiten. Eilig wurde geschlachtet und Brot gebacken. Man schickte Karren zum Kloster Cubaria und nach Quilhan, um Vorräte zu holen. Ich ging mit den Männern auf die Jagd, und mancher Fasan, Rehbock oder Eber verlor sein Leben. Ritter aus der Gegend sowie der alte Abt aus dem Kloster machten Erzbischof Odo ihre Aufwartung, was den Trubel noch steigerte. Die Mägde gafften und schnatterten unaufhörlich über die vielen Besucher und besonders über die bevorstehende Hochzeit. Im Dorf verfolgten mich neugierige Blicke auf Schritt und Tritt. Die Männer in ihrer einfachen Art machten mich verlegen, indem sie mir eindeutige Ratschläge für die Entjungferung einer jungen Braut gaben.
Bis mir all das unerträglich wurde und ich an manchen Tagen in die Berge floh. Amelha durfte ich ja nicht sehen. Drogo hatte gehört, dass sie mit schwerem Leib kurz vor der Niederkunft stünde und oft nach mir frage. Er erzählte auch, im Dorf werde getuschelt. Einige hätten Mitleid mit ihr und murrten, dass die Herren sich wie immer alles erlauben dürften. Die meisten aber machten hämische Bemerkungen. Es geschehe ihr schon recht, denn sie habe sich über ihren Stand erheben wollen. Ihre Schönheit wäre ihr zu Kopf gestiegen, und sie habe sich den Balg in den Bauch schieben lassen, um den jungen Herrn einzufangen. So berichtete Drogo, und wir ließen beide die Köpfe hängen über so viel Missgunst.
Wenige Tage vor der
festa de pasquas,
dem heiligen Osterfest, war ein Zug mit Reisewagen, Packtieren und Gefolge vor der Burg erschienen. Ein großer, grobknochiger Mann stieg vom Pferd. Er hatte blonde, aber schon halb ergraute Haare, eine bedächtige Redeweise und stellte sich als Rotgiers von Tournai und Vater der Braut vor. Dann half er seiner Frau Lisette aus dem Reisewagen. Sie war in schlichtem, aber gutem Tuch gekleidet, allerdings mit kostbarem Pelz verbrämt, und dazu trug sie einen mit Federn und Glasperlen geschmückten Reisehut. Ihre wachen Augen blickten neugierig umher und schienen alles in Windeseile aufzunehmen und einzuordnen. Rotgiers stand etwas steif da und drehte seine Mütze in den großen Händen. Es war leicht zu erkennen, wer hier die Zügel führte. Lisette lächelte, knickste kurz und küsste Odos Ring.
Rotgiers gehörte zum niederen Adel, sein Großvater war aus dem fränkischen Norden gekommen, war aber kein armer Mann. Er besaß ein großes Gut mit ausgedehnten Ländereien, die er durch Pächter bewirtschaften ließ. Die Tournais sahen es als Ehre an, in die Familie des Erzbischofs einzuheiraten. Nur deshalb hatten sie der großen Eile und den ungewöhnlichen Umständen dieser Hochzeit zugestimmt.
»Ich wette, es hat euch eine gute Mitgift eingebracht«, unterbrach Hamid meine Erzählung.
»Das stimmt. In der Hauptsache Äcker und Olivenhaine. Meine Mutter konnte sich nicht beklagen. Unter anderem zwei edle Pferde und ein silberverzierter Sattel für mich. Die Gäule habe ich später bis nach Antiochia mitgenommen.« Ich musste lachen. »Den einen haben die Türken unter mir erstochen, den anderen habe ich verspeist, aber zumindest hat er mir und einer Handvoll Kameraden das Leben gerettet.«
»Und«, fragte Hamid ungeduldig. »Wie war die Braut?«
»Warte«, sagte ich, »ich will mich erinnern.«
Lisette hatte in den Verschlag des Reisewagens gerufen und ihrer Tochter befohlen, endlich auszusteigen. Alles hatte sich neugierig vorgedrängt, und plötzlich stand sie vor uns.
Eine große, schlaksige Sechzehnjährige mit langen, blonden Zöpfen, Sommersprossen und einem etwas zu groß geratenen Busen für ihre schlanke Gestalt. Sie starrte mich einen Augenblick lang ängstlich aus blaugrünen Augen an und senkte dann den Blick auf ihre
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