Der Bastard von Tolosa / Roman
schöne Anhes nannte und dass er gern den Grund ihrer Schwermut gekannt hätte. Nun war es ausgerechnet ich, der ihr Geheimnis kannte.
»Verwahr es gut, mein Schatz.« Ich strich ihr über die Wange.
Plötzlich gellte ein Pfiff herauf. Hamid stand auf dem Wehrgang unten und winkte mich zu sich. Ich sah, dass Roberts Männer sich bereitmachten. Sie begannen, die Sturmleitern vom Wagen zu nehmen. Es ging also los. Ich verspürte jenes flaue Gefühl im Magen und ein Kribbeln in den Gliedern, wie immer vor einer Schlacht.
»Du gehst jetzt mit Berta und Joana in die Küche oder in die Vorratsräume, hast du gehört? Wie wir es besprochen haben. Dort seid ihr am sichersten. Lasst euch draußen auf keinen Fall blicken. Es wird Pfeile und Wurfgeschosse regnen.«
Als ich sie auf die Stirn küssen wollte, warf sie sich mir an den Hals. »Besiegst du sie, Papa?«, hauchte sie.
»Bestimmt!«
Plötzlich hatte sie die kleine Madonnenfigur in der Hand. »Ich habe heute Morgen lange zu ihr gebetet, damit sie dich beschützt.« Ihr dünner Leib zitterte. Ich drückte sie fest an mich, ungeachtet der Schmerzen in meiner Brust.
Als ich die Mauer unten erreichte, wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Im Hof der Vorburg erhitzten sie Öl in einem Kessel. Die Stangen, die dazu dienen sollten, die Leitern wegzustoßen, lehnten innen gegen die Ringmauer und waren leicht von oben erreichbar. Bündel von Wurfspeeren und Haufen von Steinen lagen in greifbarer Nähe. Meine Männer waren gewappnet und trugen ihre Schilde.
Wir hatten verabredet, dass sich zunächst nur Hamid und ich, die sechs Wachleute, Brun und Jaume auf der Mauer zeigen sollten. Das war die Mannschaft, von der Lambesc wusste. Die anderen, insgesamt mehr als zwanzig Mann, standen zusammen mit Gustaus Bogenschützen im Vorhof bereit. Darunter Hirten, die mit Schleudern umzugehen verstanden. Ich klopfte dem einen oder anderen auf die Schulter und murmelte ein ermutigendes Wort. Sie grinsten unbekümmert, junge Burschen die meisten, die keine Ahnung von dem hatten, was sie erwartete.
Rechts und links an den Mauerecken auf geschützten, hölzernen Plattformen waren unsere eigenen
ballistae
aufgestellt, jeweils von zwei Mann bedient. Von dort hatten sie freies Schussfeld auf den Hang, über den Roberts Söldner kommen mussten.
»Ist Rosa zurückgekommen?«, fragte ich Gustau.
Er senkte den Blick. »Nein,
Castelan
«, erwiderte er tonlos und zerrte an seinem Schnauzbart. »Sie muss auf dem Hof ihrer Eltern geblieben sein.«
Ich nickte. »Ist vielleicht besser so.«
Nun kletterte ich die Stiege zum Wehrgang hinauf. Brun, Hamid und ich verteilten uns auf der Mauer. Auf uns kam es an, die richtigen Befehle zu erteilen und den Mut der Männer hochzuhalten, wenn der Kampf sich gegen uns wenden sollte.
»Deckt die Bogenschützen mit euren Schilden, wenn sie nachher zum Einsatz kommen«, erinnerte ich Brun.
»Keine Sorge,
Castelan!
« Er grinste breit. »Wir haben es oft genug geübt.«
Sie schienen alle zuversichtlicher zu sein als ich selbst. Aber vor einer Schlacht packte mich immer die Unruhe. Nichts Ungewöhnliches also. Über die linke Faust zog ich den eisenbewehrten Handschuh. Den rechten steckte ich in den Gürtel, denn zum Speerwerfen hat man ohne Handschuh einen besseren Griff. Als ich den Schild heftete, spürte ich stechend die Wunde in der Brust. Der dicke Berlan sah mein schmerzverzerrtes Gesicht und half mir, den Schild am ledernen Tragriemen um den Nacken zu hängen. Das nahm das Gewicht vom Arm, und so hatte ich weniger Schmerzen. Ich dankte ihm und ergriff einen Wurfspeer.
Sollten sie kommen. Wir waren bereit.
Doch sie schienen sich da unten nicht einig zu sein, und die Sache dauerte. Männer liefen hierhin und dorthin. Dann nahmen sie Aufstellung mit den Leitern, stritten sich aber, wie viele eine Leiter tragen sollten. Eine ihrer
ballistae
löste einen Schuss, der auf das Tor gezielt war, jedoch harmlos die Mauer traf. Ein zweiter Schuss verfehlte ganz die Burg und flog in hohem Bogen ins dahinterliegende Tal des Agli. Der nächste durchschlug das Dach der Mannschaftsunterkünfte in der oberen Burg und hinterließ ein fußbreites Loch. Doch dann hieß man die Schützen seltsamerweise, den Beschuss einzustellen.
Sie schienen auch ihre Befehlskette nicht klar geregelt zu haben. Hoch zu Ross erkannte ich Robert, begleitet, ebenfalls zu Pferde, von seinem
escudier,
einem jungen Ritter mit auffällig langem blondem Haupthaar.
Robert fuchtelte mit
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