Der Bastard von Tolosa / Roman
einen dunklen Tannenwald weiter flussaufwärts auf unserem Weg. »Wir könnten alles mit Reisig zudecken und mit Steinen beschweren, um die Tiere abzuhalten«, riet er.
Die Sache würde die Gefahr erhöhen, entdeckt zu werden. Andererseits hatten wir unsere Leute zu ernähren.
»Gut. Dann ist es so entschieden«, sagte ich. Und zu Berta: »Zwanzig Mann als Träger. Dreimal hin und zurück. Nicht mehr!«
Sie grinste mich verschmitzt an. »Zu Befehl,
Castelan!
«
Ich starrte auf ihren Mund. Die Erinnerung an unsere Umarmung auf dem Turm war immer noch lebendig in mir, ebenso wie die unbestimmte Sehnsucht, die ich dabei empfunden hatte. Und als ich nun ihr Lächeln sah, dieses winzige Aufblitzen von schelmischer Fröhlichkeit mitten in der sorgenvollen Anspannung und Niedergeschlagenheit, die uns alle seit Tagen im Griff hielt, da überkam mich auf einmal ein unbändiges Verlangen nach ihrer Nähe. Ohne nachzudenken, nahm ich sie bei der Hand und zog sie sanft hinter mir her.
»Was ist?«, fragte sie erstaunt.
»Ich muss mit dir reden«, raunte ich ihr verlegen ins Ohr. »Jetzt gleich! Komm mit mir in die
aula,
da stört uns niemand.«
***
Mein Flüstern hatte sie beunruhigt, denn Berta zögerte nicht, sah sich nur kurz um, als scheue sie die Blicke der anderen im Burghof, und folgte mir rasch die Stiege hinauf zur
aula.
Innen schob ich den Riegel vor.
»Was ist,
mon Dieu?
«, flüsterte sie aufgeregt.
»Berta, wir müssen reden«, stammelte ich. »Du und ich. Wir …«
Dann verließ mich meine Beredsamkeit.
Wichtiges wollte ich sagen, Worte, von denen ich hoffte, sie würden endlich alles zwischen uns klären. Was für ein Narr ich mein Lebtag lang gewesen war. Für alles wollte ich Abbitte tun. Aber das Bedürfnis, meine Reue zu bekennen, war so aus dem Augenblick geboren, dass ich mir keine Rede zurechtgelegt hatte. Trotz der übermächtigen Gefühle wollten die Worte nicht kommen. In stummer Verzweiflung fasste ich ihre Hände und zog sie an mich. Berta machte große Augen, aber ließ es geschehen.
»Ich wollte dir sagen …«
Rüde wurde ich unterbrochen. Adela kam durch die andere Tür gestürmt, die von den Schlafkammern herführte, und platzte mit der Aufforderung herein, Berta müsse ihr beim Packen helfen. Als sie uns so stehen sah, meine Arme um Berta gelegt, da riss sie erstaunt die Augen auf.
»Kann man in diesem Haus nicht ein einziges Mal ungestört bleiben?«, rief ich gereizt. »Raus mit dir,
filheta!
«
Eilig machte sich das Kind davon, aber nicht ohne ein wissendes Grinsen auf dem Gesicht. Ich hob erneut zum Reden an, doch ich hatte den Faden verloren und ließ entmutigt die Arme sinken.
»Ungestört sind wir nur in der Kammer.« Berta nahm mich bei der Hand. »Komm!«
Wir traten in ihr geräumiges Gemach. Es war einst Cecilias Reich gewesen und nun Bertas. Ich sah mich kurz um. In einer Ecke stand ein großes, erhöhtes Bett, der Boden war mit frischem Stroh ausgelegt und wohlriechenden Kräutern bestreut, an den Wänden standen Truhen und am Fenster ein Spinnrad. Gestickte Teppiche zierten die Wände. Neben dem Kamin vervollständigten mehrere Holzsessel und ein viereckiger Tisch die Einrichtung. Ein freundlicher und wohnlicher Raum.
Deable,
morgen würden die dreckigen Stiefel der
pezos
hier herumtrampeln.
Berta schob den Riegel vor und drehte sich um. Ihr schönes Gesicht war ernst und aufmerksam, die Lippen erwartungsvoll geöffnet wie die eines Kindes. Das verwirrte mich erneut.
»Was wolltest du mir sagen?«, flüsterte sie.
Ich machte eine hilflose Geste. »Diese Belagerung, die Lage, in der wir uns befinden, der ganze Tumult in deinem Leben … Es ist alles meine Schuld, und es tut mir leid, Berta.« Das stimmte zwar, aber es war nicht das, was ich hatte sagen wollen.
»Es ist nicht deine Schuld«, erwiderte sie milde und seufzte.
Hatte ihre Stimme etwas enttäuscht geklungen, oder bildete ich mir das nur ein? Ich rang mit mir.
Jes Maria!
Wie schwer es doch war, zuzugeben, was für ein verbohrtes Rindvieh ich gewesen war. Schließlich gab ich mir einen Ruck und warf mich vor ihr auf die Knie.
»Es tut mir leid um die verschwendeten Jahre, Berta!«, stammelte ich und umfasste ihre Beine. »
Perdona me!
Ich bitte dich um Verzeihung! Auch wenn ich es nicht verdient habe.«
Ich spürte, wie sie zusammenzuckte und ihr Körper sich versteifte. Aber sie blieb stumm und sprach kein Wort. Warum sollte sie mir auch helfen? Ich elender Wurm hatte es nicht verdient. Hätte sie
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