Der Bastard von Tolosa / Roman
wir würden sie in den kommenden Tagen brauchen. Aus dem Lager des Feindes scholl gelegentliches Gelächter herüber oder das dünne Wehklagen eines Weibes, aber weit seltener als in der ersten Nacht. Vielleicht waren die misshandelten Seelen inzwischen abgestumpft, wehrten sich nicht mehr oder waren unfähig, überhaupt noch die Stimme zu heben. Meine Männer fluchten zähneknirschend. Nichts trifft einen Mann härter, als seine Frauen in ihrem Intimsten entwürdigt und verletzt zu wissen. Und darum geht es dem Schänder mehr als um das Leiden der Opfer. Fast hoffte ich, Rosa möge tot sein, damit ihr weiteres Leiden erspart blieb. Es war schon seltsam. Mein Lebtag lang war ich Krieger gewesen, ein Mann, für den Gewalt das tägliche Handwerk darstellte. Und doch war sie mir verhasst. War ich wie der Säufer, der den Wein hasst, von dem er nicht lassen kann?
Endlich, wir hatten schon das Gefühl, die halbe Nacht hier zu stehen, da tauchte Brun auf. Die Träger hatten ihre Arbeit getan, und nun konnte der entscheidende Teil unserer Flucht beginnen. Hamid und ich ließen die Speermänner in Bruns Obhut zurück und kletterten leise den Hang hinunter, wateten durch den Fluss und auf die Straße. Die Träger waren erschöpft, aber ich hieß einen Teil von ihnen, mit Schild und Speer bewaffnet, Brun zu verstärken. Die vier Männer der Burgmannschaft, die den Nachtangriff überlebt hatten, behielt ich bei mir als Reserve. Wir würden als Letzte gehen.
Die Bogenschützen und ein paar Hirten mit ihren Schleudern und kurzen Speeren sollten die Frauen und Alten auf dem langen Weg führen und begleiten. Sie machten sich daran, die erste Gruppe mit Vorsicht durch den steilen Höhlenschacht zu bringen. Einer nach dem anderen kamen sie aus dem versteckten Felsspalt. Ängstlich standen sie nun auf der Straße. Nur ihren Mund konnten sie nicht stillhalten. Es wurde geraunt und geflüstert, bis ich diesen oder jenen mit dem stumpfen Speerende anstieß, um sie zur Ruhe zu mahnen.
Die schwierigste Aufgabe war, den schwerverwundeten Felipe durch die Höhle zu bringen. Wider Erwarten hatte sich sein Zustand eher verbessert als verschlechtert, aber nun litt er grausame Schmerzen, als sie ihn halb trugen, halb durch den Schacht abseilten. Er biss die Zähne zusammen, und außer einem gelegentlichen Keuchen, selbst als die Wunde wieder aufbrach, gab er keinen Laut von sich.
Nicht so sein kleiner Sohn. Felipes Weib war mehr um ihren Mann als um das Kind bemüht gewesen, und als wir die drei endlich auf der Straße hatten, begann der Säugling, plötzlich wie am Spieß zu brüllen. Der Schreck fuhr uns in die Glieder. In Panik stand das dumme Mädel wie angewurzelt da, mit dem schreienden Säugling auf dem Arm, und wusste nicht, sich zu helfen. Da sprang geistesgegenwärtig eine junge Mutter vor, riss sich die Bluse von den milchgeschwollenen Brüsten und schob dem Schreihals einen fetten Nippel zwischen die Lippen. Wie abgehackt verstummte das Gebrüll, und in der plötzlichen Stille, die uns umgab, lauschten wir lange mit ängstlichen Herzen. Aber außer dem zufriedenen Schmatzen des Säuglings blieb alles ruhig. Langsam stieß ich den Atem aus und sandte ein stilles Dankgebet zum Himmel.
Sie legten Felipe auf eine Bahre, die wir am Nachmittag gefertigt hatten. »Ich bin allen zur Last,
Castelan
«, flüsterte er ermattet und mit Tränen in den Augen. »Ihr hättet mich zurücklassen sollen.«
»Red keinen Unsinn«, knurrte ich leise. »Sei froh, dass du ein gesundes Söhnchen hast. Der wird seinen Vater noch brauchen.«
Hamid sollte die erste Gruppe anführen. Joana begleitete ihn, um sich um den Verwundeten zu kümmern. Auch die meisten alten Leute waren dabei. Jeder trug zwei prall gefüllte Leinenbündel kreuzweise über die Schulter gehängt. Die Frauen hatten sich die Röcke hochgebunden, um besser marschieren zu können. Schuhwerk war eine Sorge gewesen. Im Dorf und auf den Feldern gingen die Leute barfuß oder in klobigen Holzschuhen. Letztere machten Lärm, und mit bloßen Füßen hatte ich niemand auf eine lange Wanderung durch den Wald schicken wollen, besonders nicht in die Berge, wo die Pfade von Geröll und scharfkantigen Steinen übersät sind. Also hatten die Bauersfrauen für jene, die keine besaßen, aus Lederresten einfache Bundschuhe gefertigt.
Ich küsste Joana und wollte ihr Mut zusprechen, fand aber keine Spur mehr von ihrer früheren Ängstlichkeit. Sie sei glücklich, dass Berta und ich uns ausgesöhnt
Weitere Kostenlose Bücher