Der Bastard von Tolosa / Roman
ob ich dir jemals verzeihen kann.«
Ich schluckte und fühlte mich plötzlich wie jemand, der an der Pforte zum Paradies abgewiesen wird. Und wusste doch, dass ich auf mehr gehofft hatte, als mir zustand.
»Aber du hast mich einmal geliebt.«
»Ja«, seufzte sie neben mir, »leider.«
»Kannst du es nicht wieder versuchen?«
»Ich weiß nicht.« Sie dachte nach. »Ist es dir ernst damit?«
Ich hielt den Atem an. »Mehr als das!«
»Also gut«, sagte sie mit einem Hauch von Lächeln. »Vielleicht kann ich es versuchen.« Sie streichelte wie abwesend meine Brust. »Erwarte nur nicht zu viel von mir. Es wird nicht von heute auf morgen gehen. Und vielleicht auch gar nicht.«
Mit diesen Worten sprang sie aus dem Bett, zog ihr Mieder hoch und verstaute ihre Brüste darin. Als sie merkte, wohin ich starrte, grinste sie anzüglich. Aber gleich zogen sich ihre Brauen wieder zusammen. »Vergiss, was heute hier geschehen ist, Jaufré. Es gibt dir keine Rechte, hörst du? Vor allen Dingen bedräng mich nicht! Wenn du mir nachstellst, überlege ich mir das mit dem Kloster!«
Ich stöhnte auf. »Ich muss von Sinnen gewesen sein, so etwas zu sagen.«
»Ja«, erwiderte sie trocken. »Da ist einiges auf deinem Kerbholz.« Und als ich ein langes Gesicht machte, lachte sie mich aus.
»Komm, du Faulpelz! Wir haben zu tun!«
Früher war mir dies entgangen, Bertas unnachahmliche Fähigkeit, mich in Atem zu halten, eine Eigenart, die mich noch viele gemeinsame Jahre lang mal verunsichern, mal verzaubern sollte. Ich glaube, ich bin nie ganz schlau aus ihr geworden. In weniger Zeit, als es dauert, zehn Ave-Marias zu beten, hatte ich zuerst Zerknirschung, dann Zärtlichkeit durchlebt und wilde Leidenschaft, ein Tal der Tränen durchwandert und zuletzt diese unbekümmerte Heiterkeit. Alles hatte sie in Aussicht gestellt, aber nichts versprochen. Wen wundert es, dass sich mir der Kopf drehte. Hatte ich geglaubt, diese Frau zu kennen, so war es weit gefehlt! Ein wenig hatte sie vergeben, aber nicht wirklich. Nur hoffen ließ sie mich.
Als Berta und ich aus der
aula
traten, schien sich plötzlich auch bei allen anderen neue Hoffnung verbreitet zu haben. Das spürte ich gleich, denn die Arbeit im Burghof wurde unterbrochen, und aller Augen waren neugierig auf uns gerichtet. Die Aussicht auf Versöhnung hatte sich schon herumgesprochen. Ich war noch benommen von den Augenblicken allein mit Berta. Und ich war mir sicher, alle Welt konnte auf meinem Gesicht lesen, wie sehr die Erinnerung an ihr Fleisch noch auf meiner Haut brannte. Verlegen trat ich neben sie.
Auch sie war rot geworden, aber sie überspielte die Befangenheit, indem sie meine Hand ergriff, meinen Arm wie zum Triumph hob und den Leuten laut zurief: »Mit Jaufré und Hamid werden wir siegen!« Dann, unter vereinzelten und noch zögerlichen Hochrufen, fasste sie mich an den Schultern und küsste mich vor allen feierlich auf den Mund.
Das hätte mir schon gefallen, wenn es der innige Kuss einer Liebenden gewesen wäre oder der vertraute einer treuen Gemahlin. Aber nein, dies war ein förmlicher Kuss, so wie man seinen liebsten Lehnsmann ehrt und küsst.
Putan,
fuhr es mir durch den Sinn, sie stellt sich über mich, als habe sie mich berufen! Sie, die
domina,
kürte ihren
champio,
ihren Fürstreiter in Sachen Rocafort, und alle sollten sehen, dass ich ihr Banner tragen würde. Ich schwankte zwischen Zorn und Heiterkeit, doch Letzteres gewann, und ich musste lachen. Was blieb mir anderes übrig?
Berta strahlte erleichtert. Und mit ihr alle, die im Burghof versammelt waren. Da war Genugtuung auf den gutmütigen Gesichtern zu erkennen. Sie wollten Einigkeit zwischen uns. Nur so war die
familia
stark in ihren Augen.
Und ich verstand. Für diese Menschen war immer noch Berta die Herrin und ich nur der Neuankömmling, der seine Treue zu Rocafort erst noch beweisen musste. Ihr Kuss war das Siegel unseres Paktes. Sie brauchte meine Erfahrung als Kriegsherr, ich dagegen brauchte die Hilfe der gesamten
familia.
Nun, ich würde sie nicht enttäuschen!
Und wenn es ihnen an Küssen mangelte, so wollte ich dem gerne abhelfen. Unversehens packte ich Berta um die Leibesmitte und küsste sie heftig auf die Lippen. Nicht förmlich diesmal, sondern richtig, so wie ein Mann ein Weib küsst, das er begehrt.
Als sie entrüstet Atem holte, ließ ich sie los und hob entschuldigend die Hände. Im Burghof johlten sie vor Entzücken. Männer schlugen sich auf den Rücken, die Weiber stießen sich
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