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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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an und feixten vieldeutig. Selbst Hamid konnte sich ein Augenzwinkern nicht verkneifen.
    »Endlich mal ein rechter Kerl«, rief eine stattliche Matrone. »Haltet diesen Falken gut fest,
Domna,
bevor er aus dem Fenster fliegt!«
    »Ich überleg es mir, Maria«, lachte Berta. »Obwohl er sich nur ungern zähmen lässt.«
    »Was nützt der zahmste Falke, Herzchen, wenn er nicht mehr jagt?«, meldete sich eine zahnlose Vettel zu Wort, und alles lachte über ihre Anzüglichkeit.
    »Genug davon!«, rief ich grinsend und wartete, bis das Lachen verklungen war. »Nun müssen wir über ernste Dinge sprechen.«
    Sie sahen mich erwartungsvoll an.
    »Robert Borcelencs und seine Schlächter bedrohen den Bestand der Familiengemeinschaft«, begann ich. »Ihr habt gesehen, zu was sie fähig sind. Wir haben Opfer zu beklagen, andere befinden sich noch in ihrer Gewalt wie auch mein Sohn Ramon.«
    Der kurze Funke von Fröhlichkeit war erloschen, und auf ihren Gesichtern spiegelte sich der Ernst der Lage. Die Frauen warfen einander angstvolle Blicke zu. Ein Kind weinte, bis seine Mutter es in den Armen wiegte und beruhigte.
    »Große Teile der Ernte sind dem Feuer zum Opfer gefallen, und jeder fragt sich, wie wir den kommenden Winter überstehen sollen. Der Feind holt Verstärkung, vielleicht sogar schweres Kriegsgerät, um die Mauern zu brechen. Uns dagegen schickt niemand ein Heer zu Hilfe, und wir selbst sind zu wenige.«
    Es war totenstill im Burghof geworden. Alle starrten mich kummervoll an. »Deshalb gehen wir jetzt in die Berge. Dorthin, wohin sie nicht wagen, uns zu folgen, und von wo wir besser zurückschlagen können. Aber machen wir uns nichts vor. Es wird eine schwere Aufgabe, bei der die Hilfe eines jeden von euch gefordert ist. Wir können nur überleben, wenn wir zusammenstehen, jeder Mann und jede Frau. Niemand darf sich davonschleichen, auch wenn es gefährlich wird. Es wird Opfer kosten, aber gemeinsam werden wir den Feind vertreiben. Das verspreche ich.«
    Der alte Albin meldete sich zu Wort. »Jeder, Herr, wird sein Bestes geben.« Er sah sich mit grimmiger Miene um, ob jemand es wagte, dem zu widersprechen. Alle murmelten ihr Einverständnis.
    »Gut«, erwiderte ich. »Das ist gut. Und, gleich was geschieht, in diesem Jahr sind die üblichen Ernteabgaben erlassen. Berta und ich werden niemandem das wenige nehmen, das ihm noch bleibt. Im Gegenteil. Ich verspreche, dass niemand hungern wird. Aber ich verlange, dass wir gerecht aufteilen, was am Ende an Feldfrucht oder Vieh übrig bleiben sollte. Was fehlt, werde ich dazukaufen. Und jetzt macht euch alle nützlich, denn heute haben wir noch viel zu tun.«
    Mit großem Eifer packten sie es an. Ich musste Entscheidungen treffen und jedem für heute Nacht eine Aufgabe zuteilen. Bald war ich viel zu beschäftigt, um an Berta zu denken, und dennoch war sie gegenwärtig in allem, was ich tat.
    Die Männer bildeten in der Felsspalte eine Kette, um die mit Vorräten gefüllten Leinenbündel von Mann zu Mann in die Tiefe zu reichen. Langsam leerte sich der Burghof von dem, was wir mitnehmen konnten, und alles verschwand in jenem finsteren Loch im Fels.
    Berta teilte unterdessen die Dörfler in drei große Gruppen ein. Wir wollten nicht alle auf einmal losschicken, denn ich fürchtete, wir könnten sonst die Übersicht verlieren, wenn sich unser Treck in der Nacht zu weit auseinanderzog.
    Während sie mit den Frauen redete, warf sie mir ab und zu einen versteckten Blick zu. Es kam mir vor, als leuchteten ihre Augen, wenn sie mich ansah. Aber vielleicht war es nur das Licht des späten Tages.
    ***
    Je mehr sich der Abend näherte, umso unruhiger wurden wir. Hatten wir alles bedacht? Würde es gelingen, unbemerkt davonzukommen? Immer wieder gingen unsere Gedanken zu den Geiseln in den Händen Ricards. Ich flehte zu Gott, meinen Sohn Ramon am Leben zu erhalten, bis ich ihn befreien konnte.
    Als die Sonne sich dem Horizont zuneigte und die Schwalben im Abendhimmel wieder auf Jagd gingen, da waren wir bereit. Die Männer prüften ihre Waffen. Dann wurde das letzte Mahl auf der Burg ausgeteilt. Immer noch gab es Berge von Vorräten, die wir zurücklassen mussten. Deshalb nahm sich jeder vom Besten. Nur mit dem Wein befahl ich maßzuhalten. Schließlich gab es nichts mehr zu tun. Nun mussten wir warten.
    Da unterbrach das erste qualvolle Stöhnen die abendliche Stille. Wir hatten versucht, nicht mehr an Marta zu denken, aber Ricard ließ uns nicht so leicht vom Haken. Abermals mussten

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