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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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wir die markerschütternden Schreie ertragen, die immer höher und schriller wurden, bis sie nichts Menschliches mehr hatten, mussten den entsetzlichen Geruch einatmen, wenn ein Mensch bei lebendigem Leib verbrannt wird. Fast noch schlimmer war, was in unseren Köpfen vorging, unerträgliche Schmerzen, die wir am eigenen Leib mitfühlten, so stark, dass einem die Haare zu Berge standen. Bilder vor dem inneren Auge, die uns vor Grauen erzittern ließen. Männer saßen mit grimmen Gesichtern, die Frauen rückten weinend zusammen, und die Kinder klammerten sich an ihre Mütter.
    Und doch war es diesmal anders. Heute würden wir ausziehen, um zurückzuschlagen. An diesen Gedanken klammerten wir uns, und er festigte unsere Herzen, ja wir versuchten im Geiste, dies auch Marta auf ihrem Weg ins Paradies mitzugeben, dass sie nicht umsonst sterben würde. Als ihr letztes Wimmern verklungen war, atmeten wir schuldbewusst, aber erleichtert auf. Für heute war es vorbei, und in der Totenstille, die sich bleiern auf uns senkte, sprach ich ein Gebet für die gequälte Seele der Müllerin. Niemand sonst äußerte ein Wort, doch im Herzen gelobte ein jeder Vergeltung.
    ***
    Unser
exodus
aus Rocafort, wie ich ihn gerne nenne, war für die meisten aus dem Dorf eine beklemmende und gefährliche Reise ins Ungewisse.
    Es herrschte mondlose, pechschwarze Nacht. Sträucher und Bäume waren nur als undeutliche Schatten gegen das spärliche Licht des Sternenhimmels zu erkennen. Während Straße und Fluss sich noch einigermaßen ausmachen ließen, wäre es abseits davon ohne unsere Jäger und Fährtenleser kaum möglich gewesen, auch nur hundert Schritte zu gehen, ohne sich zu verlaufen. Martas qualvolle Schreie hallten noch roh in unseren Köpfen wider, so dass der Ruf eines Käuzchens oder das Rascheln eines Kleintieres im Laub genügte, jedes Herz vor Angst erbeben zu lassen. Der leichte Wind trug Geräusche aus Ricards Lager an unser Ohr, Laute, die uns erzittern ließen, als würden jeden Augenblick meuchelnde Krieger aus den umliegenden Büschen hervorbrechen.
    In diesem Gemütszustand verlangte ich von den Meinen, in Begleitung ihrer Kinder, ihrer Alten und Gebrechlichen die sichere Festung zu verlassen und meinem windigen Plan zu vertrauen. Sogar ich hatte Bedenken, als ich mich durch die Sträucher am Ausgang der Höhle zwängte. Was machte mich so sicher, dass Ricard nicht die Straße bewachen ließ? Aber hier unten am Fluss war niemand, und trotz aller Befürchtungen lief alles wie geplant. Anfänglich zumindest.
    Zuerst schickten wir Späher aus, um Ricards Lager auszukundschaften und herauszufinden, wo seine Wachen standen. Es war, wie ich vermutet hatte. Der Feind beobachtete die Burg, aber verschwendete keine Aufmerksamkeit in andere Richtungen. Sogar die Pferdekoppeln hatten sie unbewacht gelassen. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Späher ließen wir am Platz, um vor Überraschungen sicher zu sein.
    Als Nächstes ging Matiu voraus, begleitet von zwei Männern, um den Weg bis zu unserem verabredeten Treffpunkt am Col de Lima zu erkunden. Wir warteten lange und ungeduldig, bis endlich einer zurückgeschlichen kam und meldete, dass die Luft rein war.
    Dann waren die Träger an der Reihe, den Großteil unserer Habseligkeiten und Vorräte fortzuschaffen. Um ihren Weg zu sichern, nahm ich acht unserer schildbewehrten Speermänner und führte sie leise über den Fluss und auf den flachen Sattel hinauf zwischen Burghügel und Westfelsen, halbwegs zwischen Straße und feindlichem Lager. Auch Hamid mit seinem Bogen war dabei. Der Feuerschein des feindlichen Lagers reichte aus, uns in der Dunkelheit zurechtzufinden, aber ich widerstand der Versuchung, uns weiter als notwendig zu nähern. Ein unbeabsichtigter Tritt auf einen trockenen Ast hätte leicht ihre Wachen alarmieren können. Natürlich waren wir zehn zu wenige, um einem Ansturm der
pezos
standzuhalten, aber genug, um in der Dunkelheit einen schnellen Rückzug unserer Leute zu decken. Reiter fürchteten wir nicht. In der Schwärze der Nacht würde kein Berittener wagen, Speerkämpfer anzugreifen.
    Am Fluss machten sich derweil die Träger in kleinen Gruppen von drei oder vier Mann voll bepackt auf den Weg. Matiu würde sie am Ende ihrer Wegstrecke erwarten und in das Tannenwäldchen führen.
    Lange mussten wir so ausharren. Trotz der Nachtkühle war es Hamid und mir warm unter den schweren Reiterrüstungen, die bis zum Knie gingen. Zu viel Gewicht für lange Fußmärsche, doch

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