Der Bastard von Tolosa / Roman
Bursche, nicht nur verlässlich und unerschrocken, sondern selbst ein wahrer Kämpfer, der sich im Schlachtgewühl nicht scheute, Hufe und Zähne einzusetzen.
Außer Hirten trafen wir selten jemanden in dieser, wie es schien, von Gott und den Menschen verlassenen Gegend. Bertrans Worte kamen mir in den Sinn. Wir Latiner würden hier siedeln, das Land zur Blüte bringen und zur Heimat machen. Outremer hatte viel Gutes zu bieten, und mit den Jahren begann man, manches anzunehmen. Wir hatten uns an das Essen gewöhnt, zogen die leichten Gewänder der Einheimischen vor und schätzten die handwerklichen Künste der Araber.
Noura erzählte mir oft von den Menschen hier und ihrer langen Geschichte. Ihre eigene Familie war wie viele Armenier vor zwei Generationen vor den einfallenden Seldschuken geflohen und hatte sich im byzantinischen Antiochia angesiedelt. Die Byzantiner selbst sahen sich als Nachfahren der einstigen Römer und nannten sich selbst deshalb
romei.
Griechisch sprechende Römer, wohlgemerkt. Uns aus dem Westen nennen sie abschätzig Latiner, weil wir die Messe auf Lateinisch lesen und nicht in der ursprünglichen griechischen Fassung. Für sie waren wir nur ungebildete Barbaren und Abtrünnige von der reinen Lehre Gottes.
Konstantinopel ist eine ungeheure und ganz erstaunliche Stadt. Kirchen, Paläste, Zinnen und vergoldete Kuppeln, Theater, Pferderennbahnen und Monumente hatten wir mit offenen Mündern bestaunt. Tagelang waren wir durch die Viertel gewandert und hatten alles begafft. Besonders war mir die Hagia Sophia, die größte Kirche der Christenheit, in Erinnerung geblieben. Unser griechischer Führer belehrte uns in gelangweiltem Tonfall, die Kirche sei fast sechshundert Jahre alt, von Zehntausenden Arbeitern in nur fünf Jahren errichtet worden und dass allein der Hauptraum über hundert Schritte in beide Richtungen messe. Unfassbar, dass er von einer einzigen Kuppel überspannt ist, ohne Säulen oder Stützpfeiler. Man meint, sie müsse jeden Augenblick einstürzen, besonders da die Wände nicht stark genug erscheinen, das Gewicht des Gewölbes zu tragen, sind sie doch von zahllosen, großen Fenstern durchbrochen. Aber nein, die Kuppel schwebt ganz leicht in schwindelerregender Höhe über dem Besucher, als werde sie von Gottes Hand gehalten.
Ja, großartige Baumeister, das waren sie, die
romei.
Und sie besaßen verblüffende, handwerkliche Kunstfertigkeiten, liebten Kostbarkeiten aus aller Welt und hatten eine Vorliebe für den feinsten Luxus. Kaum waren wir aus der Kirche getreten, überwältigten uns Pomp und Reichtum des östlichen Roms. Höflinge vom Palast des Kaisers gingen wie Weiber geschminkt und in Seide gekleidet. Sie ersannen Gedichte über besonders gelungene Speisen und prahlten über Liebesabenteuer mit erlesenen Knaben. Uns schauderte. Es gab Huren, die waren so reich und prachtvoll gekleidet, dass man meinte, sie seien Königinnen, und sie rochen wie Engel aus dem Paradies. Wenn wir ihnen Silber boten, lachten sie uns aus und rieten, unser Glück bei den Dirnen am Hafen zu suchen, am besten aber gleich ein Bad im Bosporus zu nehmen, sonst würden auch diese uns verschmähen.
Eine seltsame Welt. Ich erinnere mich an unser Staunen, als wir es wagten, eines der öffentlichen Bäder zu besuchen. Dass man zum Waschen ein so riesiges Gebäude brauchte, war uns schon sehr fremd. Schließlich genügt ein ordentlicher Holzzuber, oder man wäscht sich am Fluss. Aber hier gab es ein Schwimmbecken so groß wie ein kleiner See. Und Räume zum Schwitzen, mit heißem Dampf gefüllt, Sklaven, die uns mit kaltem Wasser abspritzten, Öl auf die Haut rieben und mit Striegeln wieder abkratzten. Dann massierten sie unsere Glieder, und das war so wohltuend, dass ich prompt eingeschlafen war.
Konstantinopel musste wirklich die größte und schönste Stadt der Welt sein. Es war so lebhaft in den Gassen, dass man Mühe hatte, durchzukommen. Händler, die unter Torbögen ihre Ware anpriesen, Soldaten des Palastes, bärtige Priester, bemalte Huren an den Straßenecken, Beamte, Bettler und Gelehrte, Handwerker, Kinder und Matronen, Damen der feinen Hofgesellschaft, Lastenträger, Sklaven und Gaukler. Und alles schrie durcheinander. Sänftenträger bahnten sich rüde ihren Weg mit Stöcken. Von den vielen Menschen und dem Lärm wurde einem ganz wirr im Kopf. Und nicht zuletzt der unbeschreibliche Palast des Kaisers. Eine ganze Stadt für sich. Damit verglichen lebten unsere Fürsten in dreckigen
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