Der Bastard von Tolosa / Roman
besser, wenn ihm auch der Schweiß herablief.
»Ich schätze, drei bis vier Stunden.«
»Wird Zeit, aus diesem verdammten Panzer rauszukommen«, klagte er. »Da fällt mir ein, die Gräfin möchte, dass deine Frau zum Osterfest ihre Aufwartung macht.«
Er sagte es mit einem Lächeln, aber es war ein Befehl. Ich konnte es auch als Auszeichnung auffassen.
»Sie wird kommen.«
Ich verschwieg, dass Noura solche Anlässe hasste. Bertran hatte vor Jahren eine gewisse Elena de Borgonha geehelicht. Eine gute Verbindung für die Tolosaner, um sich nach Norden zu für ihre Besitzungen in der Provence den Rücken freizuhalten. Die Frau war keine Schönheit, doch eine ausgezeichnete Partie für einen Bastard, dachte ich belustigt. Zehn Jahre jünger als Bertran, aber wegen ihrer Leibesfülle wirkte sie reifer und mütterlicher als ihr Alter. Sie hatten zwei Kinder, der Älteste war Pontius und musste etwa zwölf sein. Dann die kleine Anhes, etwas jünger als Adela. Bertran hatte sie wohl nach seiner Mutter benannt.
Der Graf hockte sich neben uns auf einen Feldstuhl, den ihm sein Diener hingestellt hatte. »Da wir von Ostern sprechen … Ich muss mich endlich entscheiden, wer den Bischofssitz bekommt.«
»Wenn ich mir einen Rat erlauben darf?«
»Nur zu. Ihr kennt das Land besser als ich.«
»Bestätigt den Patriarchen. Die griechische Kirche hat die älteren Rechte, und das Volk würde dies gut aufnehmen. Wir sollten nicht alles auf einmal ändern.« Kyriacos’ Vorwurf war mir in den Sinn gekommen. Sicher dachten viele im Volk wie er.
»Die Griechen sind unerträglich hochmütig. Ich würde ihnen gerne einen der Unsrigen vor die Nase setzen.«
Ich musste lachen. »Und ich bin sicher, so mancher Priester in Eurem Gefolge macht sich Hoffnungen. Aber Euer Vater hielt es immer für klug, sich gut mit Konstantinopel zu stellen. Wir brauchen ihre Unterstützung. Wenn Ihr den Patriarchen bestätigt, werden die Byzantiner dies als gutes Zeichen werten.«
»Für einen, der keinen Sinn für Politik hat …«, lachte er und starrte dann nachdenklich vor sich hin. »Der Gedanke hat was. Ich werde es mir überlegen.« Dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben, denn seine Miene hellte sich auf. »Ich glaube, der König wird mich darin unterstützen. Der verdammte Legat des Papstes steckt auch nach Balduins Geschmack die Nase in Dinge, die ihn nichts angehen. Wir zeigen ihm, wer Herr im Hause ist.« Er grinste selbstzufrieden. »Und jetzt machen wir uns auf den Weg, Jaufré. Ich will endlich heimkommen.«
Er stand brüsk auf, rief nach seinem Pferd und hievte sich ächzend in den Sattel. Bertran schien nicht ganz in der Verfassung seiner Ritter zu sein, und das Gewicht von Rüstung und Waffen ermüdete ihn offensichtlich.
Ich gab Guilhem ein Zeichen. »He, ihr Hübschen!«, brüllte der daraufhin in die Runde. »Genug gefaulenzt. Hebt Eure jungfräulichen Ärsche in den Sattel.«
Stöhnend kamen die Männer auf die Füße und stiegen auf ihre Reittiere. Ich gab den Befehl zum Abmarsch.
Am frühen Nachmittag gelangten wir an einen Ort, wo der Weg hoch an einer steilen Klippe entlangführte. Der Abgrund lag gefährlich nah am Wegrand und maß an die dreißig Klafter bis in die Tiefe, wo der Grund von losem Geröll und Felsbrocken übersät war. Der Pfad war schmal, und mit größter Vorsicht suchte sich unser Zug den Weg über die Klippe, als der unglückliche Kyriacos ohne jede Vorwarnung seinem Reittier die Hacken in die Seiten hieb, um es über den Felsrand zu treiben und sich selbst in den Tod zu stürzen.
Es wäre ihm auch gelungen, hätte sich nicht der Lebenswille des Maultiers durchgesetzt. Im letzten Augenblick und schon am Rand des Abgrunds stemmte es die Hufen in den brüchigen Fels. Ein Bein des Tiers rutschte dabei ab, und es schrie vor Schmerz und wilder Panik auf. Das Tier ging in die Knie und verkeilte sich irgendwie am Felsrand. Kyriacos gab nicht auf. Nun versuchte er verzweifelt, sich aus dem Sattel zu stürzen, doch da er daran gefesselt war, schaffte er auch dies nicht. Er hing so weit über den Abgrund gebeugt, dass es ihm fast gelungen wäre, sich mit seinem Gewicht, Mensch wie Tier, über die Klippe zu befördern, hätte nicht geistesgegenwärtig einer der Männer ihn am Gürtel gepackt und zurückgerissen. Wir zerrten Tier und Reiter in Sicherheit.
Als es endlich gelang, das völlig verschreckte Maultier zu beruhigen, zogen die Knechte beide vorsichtig von der Stelle weg, und wir konnten
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