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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Junge.« Ich fuhr ihm rauh mit der Hand durch die Haare und ging weiter. Auch die anderen Wachen waren auf ihren Posten. Zeit für mich, zu schlafen. Ich fand Alexis, meinen Dienstburschen, in eine Decke eingerollt vor meinem Zelt liegen und stieg vorsichtig über ihn hinweg. Hamid war sofort wach, als ich im Dunkeln meine Lagerstatt suchte. Wahrscheinlich lag seine Hand auf dem Dolch, den er immer griffbereit hielt.
    »Pass ab morgen gut auf deinen Rücken auf.«
    »Warum das?«
    »Ricard.«
    »Ach was. Der Kerl ist ein Kindskopf. Die Sache hat keine Bedeutung. Ich mache mir eher Sorgen um Noura und Adela. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass beide auf der Festung bleiben. Dass sich Seldschuken diesseits der Berge herumtreiben, beunruhigt mich.«
    Mein Lehen in Outremer war ein mit großzügigen Ländereien ausgestattetes Anwesen, landeinwärts in den Hügeln einige Stunden von Mons Pelegrinus entfernt. Noura hatte darauf bestanden, auch in meiner Abwesenheit dort zu bleiben. Sie war es leid, auf dem Pilgersberg die
domna
des
castelan
zu spielen. Außerdem sei es nicht gut für Adela, unter Soldaten aufzuwachsen. Was für Mädchen gut war, davon wusste ich nichts, aber wenn Noura sich etwas in den Kopf setzte, dann war es schon beschlossene Sache.
    Plötzlich überfiel mich heiß die Erinnerung an den Fluch der alten Vettel aus dem Dorf am Litani. Ich sah schon Noura und Adela von johlenden Türken umringt und musste tief durchatmen, um das Bild zu verscheuchen. Ich legte meinen Kopf auf den Sattel und wickelte mich in meine Decke.
    »Wer soll schon in deinem verschlafenen Dorf herumstreunen?«, murmelte Hamid schläfrig. »Da ist doch nichts zu holen.«

Der Ritt nach Tripolis
    Sanctus Castulus, Patron der Hirten, beschützt vor Blitz und Pferdediebstahl
    Sabbatum, im Morgengrauen, 26. Tag des Monats März
    D as war also mein langer Abend mit Bertran, meinem neuen Lehnsherrn, gewesen. Sollte ich mich geschmeichelt fühlen, dass er so viel Zeit mit mir verbracht hatte? Ich war nicht ganz schlau aus ihm geworden. Auch wenn er kein Kriegsmann war, wie er behauptete, so schien er doch ein Mann zu sein, der zuhören konnte und sich bemühen würde, unsere Lage richtig einzuschätzen. Das war wichtig in diesem Land, wo die Dinge häufig so ganz anders lagen, als man erwartete.
    Dieses Gespräch hatte mich zum ersten Mal seit Monaten wieder zuversichtlicher gestimmt. Oder war es Bertrans Begeisterung und sein Traum von
la Chamelle
gewesen? Ein großer Herr könnte ich werden, hatte er gesagt, mit ausgedehnten Ländereien und Rittern, die meinem Banner folgen würden. Wer wünscht sich so etwas nicht?
    Zu schnell war die Nacht vorüber, und im Morgengrauen begann das Lager, sich zu rühren. Einzelne wie ich krochen mit verschlafenen Gesichtern aus den Zelten und suchten Erleichterung zwischen den Büschen. Ich atmete die frische Morgenluft ein. Nach den warmen Decken im Zelt war es feucht und kalt hier draußen. Der Wald lag schwarz vor mir. Nur schemenhaft ließen sich Einzelheiten wahrnehmen. Weiter unten im Tal schimmerten dünne Nebelschleier.
    Unwillkürlich musste ich an die vielen Toten denken, die der gestrige Waffengang gekostet hatte. Ich ließ mich fröstelnd auf meinem alten Faltstuhl nieder und wickelte mir den Mantel enger um die Schultern. Unsere Gefallenen hatten ein christliches Begräbnis erhalten. Um ihr Seelenheil musste man sich nicht sorgen. Was aber geschah mit den Ungläubigen, die wir unbestattet gelassen hatten? Waren Moslems wirklich zur Hölle verdammt, wie
Paire
d’Aguiliers, unser Kaplan, behauptete? Das Landvolk daheim glaubte, die Seelen von Ermordeten irrten über Sümpfe und Moore und fänden nicht früher Ruhe, als bis sie gerächt waren. Ein düsterer Gedanke. Und ebenso finster, öde und gespenstisch wirkte die Landschaft vor mir, wie gemacht für die verlorenen Seelen der erschlagenen Seldschuken. Mir schauderte. Ich schlug ein Kreuz und murmelte ein kurzes Morgengebet.
    Ich bemerkte eine flüchtige Bewegung in unserem Zelt. Hamid bei der Andacht. Es war nicht leicht für ihn als Muslim in der
militia christi.
Er hatte gelernt, dass es klüger war, im Verborgenen zu beten, selbst wenn es ihm deshalb selten möglich war, seinen religiösen Pflichten so, wie der Prophet Mohammed es verlangte, nachzukommen. Aber mein Freund war ohnehin nicht besonders eifrig in dieser Beziehung.
    Die Feuer brannten inzwischen wieder, und die Knechte kochten mit den Fleischresten des Vorabends eine

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