Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Hundehütten.
    »Was grübelst du so vor dich hin?«
    Guilhem schreckte mich aus meinen Tagträumen. Ihm fehlte ein Zahn oben links, Opfer seines eisenbeschlagenen Schildrandes in einer Schlacht vor Jahren. Die Lücke verlieh ihm etwas Verwegenes. Bart und Haar waren grau, aber wie alt er war, wusste niemand, nicht einmal er selbst. Sein Rat war gefragt, weil er einen Riecher für Gefahren hatte und überlebte, wo andere starben. Dabei war er tapfer wie kein Zweiter.
    »Na, an was denkt wohl ein Kerl, der zehn Tage lang kein Weib angefasst hat?«, rief ich in vorgetäuschter Entrüstung. »Was fragst du so dumm? Bist du Mönch geworden?«
    Er brach in schallendes Gelächter aus. »Du sprichst mir aus der Seele, Mann. Die Grafschaft für einen saftigen Weiberarsch!«
    Solches Gerede war nach Guilhems Geschmack. Er liebte derbe Sprüche und alle Dirnen im Hafen. Gleich wie viel sein Anteil an einem Plünderzug gewesen war, in wenigen Tagen war er wieder abgebrannt. Würfelspiel und Hahnenkämpfe. Und wenn er sein Silber nicht verspielte, dann trug er es zu den Huren.
    »Schaff dir eine Frau an, du Tölpel. Dann kannst du ihn täglich haben, deinen Weiberarsch, und musst nicht mal zahlen.«
    »Wenn du so weitermachst«, wieherte er, »dann hält mich nichts mehr, bis ich zwischen den drallen Schenkeln der
Keuschen Barbara
liege.«
    Er sprach von einer stadtbekannten Hure, die im Genueser Viertel von Tripolis ein beliebtes Freudenhaus betrieb. Sie unterhielt eine große Auswahl an Dirnen, gab sich selbst aber nur selten und ganz wenigen Stammkunden hin, die ihre Aufmerksamkeit als Ehre betrachteten. Deshalb der Spitzname.
    »
Die Keusche Barbara
hat edlere Freier als dich.«
    »Nach diesem Ritt ist mir schon jede Honigpforte recht«, gluckste er. Aber dann wurde er wieder ernst. »Und wie geht es
Domna
Noura?«
    »Gut, meine ich. Außer, dass wir uns gestritten haben. Wir Franken sind ihr zu habgierig.«
    »Recht hat sie«, sagte er. »Du hast diese Frau nicht verdient. Wir alle nicht!«
    In einem Scharmützel vor Jahren hatte Guilhem eine tiefe Schwertwunde davongetragen. Unter Lebensgefahr hatten Hamid und ich ihn vom Feld geschleppt, und Noura, die sich auf Heilkunde verstand, hatte ihn vernäht und langsam wieder gesund gepflegt. Seitdem war er ihr glühendster Verehrer und hätte sich mit Freuden für sie in Stücke hauen lassen. Überhaupt war es nicht ungewöhnlich, wenn sie kleine Geschenke von den Männern erhielt, meist als Dank für die Pflege eines Verwundeten. Aber ich vermutete, sie war so etwas wie die
domina
der Festung geworden, die schöne Herrin, um deren Gunst die Kerle buhlten.
    »Verdient oder nicht«, lachte ich, »aber sie liebt mich.«
    »Eingebildeter Pfau!«, grunzte er entrüstet.
    Unsere Fröhlichkeit bekam einen Dämpfer, als der Vetter des Grafen sich näherte. Während er uns überholte, warf er mir einen gehässigen Blick zu.
    »Wir sind noch nicht fertig miteinander, Montalban!«
    Guilhems Augen verengten sich, als er ihm nachstarrte. »Der Kerl ist zwar noch jung, aber etwas sagt mir, nimm dich vor ihm in Acht, Jaufré!«
    Hier war sie wieder, Guilhems Nase für Gefahr.
    »Werde es mir merken,
mon velh.
«
    Wenig später hatten die Männer der Vorhut einen guten Rastplatz gefunden und warteten auf uns. Wir stiegen von den Pferden und reckten die steifen Glieder. Hamid holte seinen Proviantsack hervor. Wir teilten etwas harten Käse und ein paar Oliven. Für die Hunde schnitt ich ein Stück Speck in Streifen und warf es ihnen zwischen die gierigen Fänge. Ghalib bekam eine Handvoll Hafer.
    Das Wetter war so gut wie unsere Laune geworden. Ein strahlender Tag. Vögel schwirrten in den Büschen, die Sonne hatte alle Nebelstreifen verbrannt, und langsam wurde es angenehm warm. Wir lagerten auf einer Anhöhe mit Blick über die Ebene bis hin zum Meer. Alles war klar und scharf gezeichnet. Eine dünne Linie zog sich zwischen dem Blau des Himmels und dem tieferen Blau des Meeres entlang. Man sah Tripolis in der Ferne, und davor, auf einer sanften Anhöhe ließ sich winzig klein der Pilgersberg erkennen.
    Ricard de Peyregoux saß abseits auf einem Felsbrocken. Ich spürte seinen ätzenden Blick auf mir ruhen, aber als ich aufschaute, sah er weg und starrte in die ferne Landschaft. Guilhem hatte recht. Trotz seiner Jugend lag in den stechenden Augen etwas Beunruhigendes.
    »Wie lange noch, Jaufré?«, ließ sich Bertran hinter mir vernehmen. Seine Stimme klang freundlich genug. Es ging ihm

Weitere Kostenlose Bücher