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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Lichtung vernaschten. Auf dem Weg zu unseren Verstecken sammelte sie oft einen ganzen Arm voller Feldblumen. Das schwarze Haar trug sie in Zöpfen um den Kopf geschlungen, und wenn sie es für mich löste, fiel es in üppigen Wellen bis zu den Hüften.
    Mein Gott, seit Ewigkeiten hatte ich nicht mehr an sie gedacht und verstand nicht, warum mir plötzlich das Herz so schwer wurde. Siebzehn war ich damals gewesen, Amelha noch etwas jünger. Nach Jahren der Waffenausbildung bei meinem Onkel in Monisat war ich endlich heimgekehrt. Täglich war ich über unsere Ländereien geritten, um die vertrauten Gesichter wiederzusehen. Die Leibeigenen und die freien Pächter, die Hirten und Milchmägde und vor allen Dingen meine alten Spielkameraden, die nun hinter dem Pflug gingen oder, wie mein Freund Drogo, das Handwerk des Vaters erlernten. Ich tat, als ob ich die jungen Bauerntöchter nicht bemerkte, aber natürlich schielte ich auf die verwirrenden Rundungen, die ihnen in meiner Abwesenheit gewachsen waren. Aus mageren Mädchen, denen wir noch vor kurzem an den Zöpfen gezogen hatten, waren plötzlich junge Weiber geworden. Wenn ich vorüberritt, tuschelten und kicherten sie hinter vorgehaltener Hand. Überhaupt war alles anders. Ich war nicht mehr einer der kleinen Schelme, die man mit Flüchen aus dem Obstgarten vertrieb, sondern plötzlich der junge Herr. Die Bauern verbeugten sich, und die jungen Mägde schauten weg und wurden rot, wenn mein Blick auf sie fiel.
    Nur eine hatte die Augen nicht abgewendet.
    Und sie hatte auch keinen Grund dazu, denn sie war das schönste Mädchen, das ich bislang in meinem kurzen Leben gesehen hatte. Den Kopf etwas zur Seite geneigt, grinste sie mich herausfordernd an. Ob ich nichts Besseres zu tun hätte, als den ganzen Tag auf meinem Pferd herumzureiten, fragte sie. Dann packte sie ihren Korb und verschwand lachend in der Mühle ihres Vaters. Sie hatte einen beschwingten Schritt, und ihr Rock wippte aufregend um die schlanken Fesseln.
    So wie in heißen Sommern der Wald durch den Blitz in Flammen steht, so waren Amelha und ich vom ersten Herzschlag an füreinander verloren.
D’Amor mi pren penssan lo fuocs …
an Liebe denkend, erfasst mich Feuer und je höher es lodert, je mehr bin ich ihm verfallen,
bis eines Tages die Berührung des so anders geformten Körpers jene überwältigende Lust erweckt, der man nicht mehr entfliehen kann, Lust, begleitet von Heimlichkeit und Schuldgefühlen. Eine bittersüße Speise.
    Da war dieser Nachmittag in den waldigen Hügeln gewesen. Sonne, die durch das Laub fiel, das aufdringliche Brummen einer Hummel, ein Luftzug, der sanft über unsere Körper fächelte. Nackt hatte sie vor mir auf dem weichen Moos gelegen, Gesicht und Arme braun gebrannt, schneeweiß ihr Leib bis auf die rosigen Brustspitzen. Ich konnte nicht aufhören, meine Hände über die samtene Haut wandern zu lassen. Dann begann ich, Blütenblätter auf ihrem zarten Mädchenleib zu verteilen. Hör auf, mich zu kitzeln, kicherte sie. Aber ich machte weiter und weiter, bis sie bunt bedeckt war. Dann warf ich mich ungestüm auf sie, und wir liebten uns, bis sich unser Schweiß mit den zerquetschten Blüten zu einem betörenden Geruch vermengte. Seltsam, wie ich diesen Duft noch heute riechen kann.
    Bernat hatte schon lange aufgehört zu singen. Hamid war neben mir aufgetaucht und riss mich aus meinen Tagträumen.
    »Vorn haben sie eine Quelle gefunden.«
    »Gut. Dann machen wir eine kurze Rast.«
    »Bedrückt dich etwas?«
    »Mich?«, fragte ich lachend. »Nein! Nur ein Anfall von Heimweh, glaube ich. Es ist Bernat und seine dummen Lieder.«
    Am Bach erfrischten sich Mann und Tier. Und langsam, wie Morgennebel in der Sonne, zerflossen die Bilder einer Jugendliebe, bis nur noch unbestimmtes Bedauern blieb. Über die Torheiten der Jugend schüttelt man den Kopf, doch wer würde nicht gern noch einmal von ihnen kosten?
    Nach kurzer Rast ging es weiter. Ich ritt allein an der Spitze unseres Zuges. Ghalib, sein Name bedeutete Eroberer, war ein kräftiger, achtjähriger Rappe arabischen Blutes. Ich hatte ihn für teures Gold erworben und als
destrier
abgerichtet. Er war nur eine Handbreit kleiner als unsere heimischen Pferde, dafür aber schneller und ausdauernder. Manche bevorzugen Mähren oder Wallache, weil Hengste in der Nähe rossiger Stuten schwer zu halten sind. Aber als Schlachtross ist ein Hengst mir lieber, denn er ist furchtloser und angriffslustiger. Ghalib war ein prächtiger

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