Der Bastard von Tolosa / Roman
dieser beiden Pilger, Bennot und Raimon. Der eine war eine reine Seele gewesen und endete im namenlosen Massengrab. Der andere wird als Held der Christenheit gefeiert und war doch ein Mörder. Denn das musste der Grund gewesen sein, warum der alte Graf sein Leben im Heiligen Land beschließen wollte. Es war sein Gewissen. Er wollte Sühne tun für seine Sünden. Er hatte wirklich geglaubt, Gott würde ihn von seiner Schuld erlösen, wenn er das Grab des Heilands befreien würde. Welch eine Hochmut in der Demut! Für diese Buße sind Zehntausende hingemetzelt, Städte und Dörfer zerstört und unzählige Familien ausgerottet worden. Nun, ich wollte nicht über ihn richten, das war Gottes Recht allein.
Niedergeschlagen setzte ich mich wieder zu Martin und leerte in einem Zug einen ganzen Becher Wein im Versuch, die Erinnerung abzuschütteln.
Der Junge, der Elena zugehört hatte, wollte alles über die Erstürmung Jerusalems wissen.
Jes Maria,
verschone mich, dachte ich. Aber er ließ mir keine Ruhe, bis ich ihm die Einzelheiten der Belagerung erklärte.
»Vater, eines Tages will auch ich auf Wallfahrt gehen.«
Que Dieu m’ajut,
dachte ich erschrocken. »Man kann auch anderweitig Gutes tun, mein Junge. Man muss nicht nach Jerusalem ziehen.«
»Auch ich wollte immer nach Mekka pilgern«, sagte Hamid gedankenvoll und nicht sehr hilfreich. »Bis alles anders kam.« Er sprach von jenem Jahr, in dem er wegen seiner verbotenen Liebe zum Galeerendienst verurteilt worden war. »Einmal in seinem Leben soll jeder Muslim die Kaaba umrunden. Nun wird es wohl nichts mehr damit.«
»Vielleicht solltest du Christ werden«, bemerkte ich spöttisch.
»Lieber ein schlechter Muslim als ein noch schlechterer Christ!«, antwortete er prompt, grinste dabei aber entwaffnend.
»Was hat dieser Maurensohn gegen Christen, eh?«, fragte Guilhem gutgelaunt und setzte sich zu uns.
Er hatte sich einigermaßen von seinem Lanzenstich erholt. Auch Severin tauchte auf. Wir rückten zusammen, um ihnen Platz zu machen.
»Gut, dass du kommst, Guilhem«, sagte ich. »Jetzt, da Vilapros das Zeitliche gesegnet hat, brauche ich jemanden, der ihn ersetzt und die Rodung in die Hand nimmt. Nemos Leute müssen angesiedelt und beaufsichtigt werden. Wie wär’s mit dir,
mon velh?
«
»Bist du verrückt?«, rief Guilhem. »Sehe ich wie ein Bauer aus?« Er zog geringschätzig die Luft durch die Nase.
»Es ist ein großzügiges Angebot, du Dummkopf!«
Er lachte breit. »Ich weiß, Jaufré. Ich weiß. Und ich danke dir, aber das ist nichts für mich. Nimm lieber unseren jungen Severin hier. Der kennt sich mit der Feldwirtschaft aus.«
Erstaunt blickte ich Severin an. »Ist das wahr?«
»Es stimmt,
Castelan.
Wir besitzen ein Gut in Bearn.«
»Aber du wolltest doch heimkehren.«
»Eigentlich schon. Doch da mein Bruder das Gut erbt …«
Ich verstand. »Also gut. Du wärest uns mehr als willkommen, mein Junge.« Ich hielt ihm die Hand hin. »Schlag ein!«
Severin wurde rot vor Freude und schüttelte meine Hand. »Es ist eine große Ehre, und ich werde Euch nicht enttäuschen,
Castelan.
«
»Und was ist mit dir, Guilhem?«, fragte ich den alten Haudegen. »Es wird Zeit, dass du dich zur Ruhe setzt. Oder willst du weiter die Hurenhäuser in den Häfen unsicher machen?«
»Nun«, Guilhem räusperte sich umständlich, »unser maurischer Freund hier hat mir ein Angebot gemacht. Ich will ihm helfen, seine Rösser zu züchten.« Er nahm einen Schluck und grinste. »Teufel noch eins, Jaufré! Die jungen Gäule einzureiten, das passt doch besser zu einem rechten Kerl, als Kohl zu pflanzen, was?«
»Na schön«, lachte ich. »Und keine losen Weiber mehr?«
Hamid grinste frech. »Er macht sich Hoffnungen auf eine gewisse Dame, Jaufré.«
»Was für eine Dame?«
Guilhem funkelte Hamid wütend an. »Kannst du nichts für dich behalten, du Sarazenenhund?«
»Könnt ihr mir sagen, was hier vor sich geht?«, knurrte ich.
»Er hat Gefallen an seiner Wundheilerin gefunden.«
Es dauerte einen Augenblick, bis ich verstand.
»Joana?«, fragte ich entgeistert. »Da musst du dich aber gewaltig anstrengen«, prustete ich los, und alle lachten, außer Guilhem, der eine Grimasse zog und uns die Zunge herausstreckte. Aber dann konnte er nicht umhin, einen schnellen Blick zum Tisch der Weiber zu werfen, wo Joana thronte und gerade eine Geschichte erzählte.
Als sie merkte, dass wir Männer sie anstarrten, runzelte sie verlegen die Stirn, ließ sich aber nicht davon
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