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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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abhalten, ihren Redeschwall fortzuführen. Guilhem, der rot geworden war, steckte seine Nase in den Becher und trank ihn in einem Zug aus. Vergnügt blickte ich in die Gesichter meiner Freunde. Gott hatte uns aus Outremer hierhergeführt, an den Ort meiner Kindheit, hatte uns um dieses Tal kämpfen und siegen lassen. Unsere lange Reise war zu Ende.
    Plötzlich legte Hamid den Finger auf die Lippen und deutete auf den Waldrand. Eine Gestalt war zwischen den Bäumen hervorgetreten und kam langsam auf uns zu. Es war Gustau.
    Seit dem Tag des
tornei
hatten wir ihn vermisst. Er musste sich irgendwo in den Wäldern herumgetrieben haben. Das war wohl seine Art der Trauer. Er sah abgemagert aus, die Kleidung verdreckt und abgerissen. Im Gürtel steckte sein langes Messer, und in der Hand trug er den Bogen des Seldschuken. Er näherte sich langsam und legte behutsam den Bogen vor Martin auf den Tisch. Er nahm den Köcher von der Schulter und legte ihn dazu. Dann setzte er sich.
    »Es fehlen zwei Pfeile«, war alles, was er von sich gab.
    »Danke«, antwortete Martin erstaunt. Gustau nahm den Becher aus meiner Hand und trank den Wein mit Genuss. Alle starrten ihn an, und lange sprach niemand ein Wort. Natürlich dachten wir an Rosa, und irgendwie hatte sein plötzliches Auftauchen uns ein wenig beklommen gemacht.
    »Gustau«, meinte ich schließlich. »Ich brauche einen Jagdmeister.«
    Er überlegte kurz und nickte dann. »In Ordnung,
Castelan.
«
    Als gäbe es weiter nichts zu sagen. Er trank ruhig seinen Wein, hörte allen zu, aber blieb still und in sich gekehrt. Und so ist es bis heute geblieben.
    ***
    Wenige Tage später kehrte Raol aus Tolosa zurück.
    Das heißt, wir erfuhren von den Mönchen, dass er sich in Cubaria einquartiert hatte, denn auf Rocafort wollte er sich keinesfalls blicken lassen. Niemanden außer mir wolle er sehen, sagten sie. Natürlich ließ Berta sich nicht im Geringsten davon abhalten, sofort ihren Schecken zu satteln und mit mir nach Cubaria zu reiten. Robert Borcelencs hatte unseren Sohn ohne weiteres ziehen lassen, ihm sogar sein kostbares Pferd und die teuren Waffen geschenkt. Aber wenn Berta sich auf ein herzliches Wiedersehen gefreut hatte, so wurde sie enttäuscht. Er empfing uns kalt und sprach kaum ein Wort mit ihr.
    »Was ist mit dir?«, rief sie verzweifelt, als er ihr kühl den Rücken zudrehte.
    Wie Prior Bernard mir später berichtete, war er leichenblass geworden, als er von den Toten und all den schlimmen Dingen erfuhr, die Ricard uns angetan hatte. Und Müller Joris hatte ihm unter Tränen und in allen Einzelheiten von Martas grausamen Tod erzählt. Es musste einen Halbwüchsigen wie Raol fast um den Verstand gebracht haben, zu erfahren, mit wem er sich eingelassen hatte.
    »Er schämt sich über die Rolle, die er gespielt hat.«
    Raol wurde rot und warf mir einen wütenden Blick zu. Ich wollte ihm diese Gefühle jedoch nicht ersparen, denn schließlich hatte er seiner Familie den Rücken gekehrt und sich mit Feinden verbündet, auch wenn ihm die Folgen und das Ausmaß ihrer Bosheit nicht bewusst gewesen waren. Vielleicht würde er in Zukunft zweimal nachdenken, bevor er handelte. Jedenfalls musste es ihn unsäglich reuen, dass er sich von Robert hatte verführen lassen. Nur zugeben konnte er dies nicht.
    »Was weißt du schon von mir?«, schleuderte er mir ins Gesicht.
    »Wenig. Aber das würde ich gern ändern.«
    »Ich habe dir vorher nichts bedeutet, warum also jetzt?«
    »Ich will dir ein guter Vater sein.«
    »Ich brauche keinen.«
    »Niemand gibt dir irgendeine Schuld, Raol«, beschwor Berta ihn. »Komm jetzt heim nach Rocafort.«
    »Niemals!« Er hatte es herausgeschrien, und Berta zuckte erschrocken zurück.
    »Raol, mein Junge«, versuchte sie es abermals. »Der Mann hat dich geblendet, mit seinen Geschenken und seinem Reichtum. Es hätte jedem in deinem Alter den Kopf verdreht.«
    Aber sie erntete nur eine finstere Miene. »Jedem außer Martin«, schnaubte er wütend, »deinem Liebling.«
    »Was sagst du da?«, rief Berta. »Du bist doch ebenso mein Liebling, wenn nicht mehr.« Sie schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn, aber mit einem trockenen Schluchzen machte er sich frei und stieß sie ungestüm von sich. Sein schlankes Gesicht ließ den Schmerz ahnen, den er durchlitt, doch helfen lassen wollte er sich nicht.
    »Ich gehe fort«, stieß er mit zusammengepressten Lippen hervor, die keinen Widerspruch duldeten, auch wenn er dabei Tränen in den Augen

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