Der Bastard von Tolosa / Roman
hinterließ.
Ohne nachzudenken, langte ich hinüber, packte ihn an der Tunika und zerrte ihn halb über den breiten Tisch.
»Hör mir gut zu,
ribaut!
«, zischte ich ihn an. »Du Scheißkerl magst Bertrans Vetter sein. Aber er hat dich in meine Burg gesteckt. Du hast mir, wie jeder hier, Treue und Gehorsam geschworen. Du kriegst Sold aus der Schatulle meiner Festung. Also tust du, was ich dir befehle. Oder du wirst den Tag deiner nutzlosen Geburt bereuen.« Damit ließ ich ihn so plötzlich los, dass er das Gleichgewicht verlor und sich am Tischrand festhalten musste. Wir starrten uns hasserfüllt an. Ricards Begleiter grinsten nicht mehr.
»Mit welchem Recht habt Ihr den Griechen hingerichtet?«, fragte ich scharf.
»Verräter verdienen den Tod«, stieß er giftig hervor.
»Es war nicht an Euch, dies zu entscheiden. Ihr habt Euch Rechte angemaßt, die Euch nicht zustehen. Und wozu ihn so bestialisch zurichten? Zu Eurem Spaß?« Ich spuckte verächtlich auf den Boden. »Ihr widert mich an!«
»Ihr seid zu weich, Montalban. Wir müssen hart vorgehen!«
»Ist Euch nicht klar, dass wir in dieser Stadt auf einem möglichen Brandherd sitzen?« Ich ging erregt auf und ab. Ricard hatte die Augenbrauen hochgezogen, während er mir mit gespielter Verständnislosigkeit zuhörte. »Im Augenblick trauen sich die Emire nicht, uns in offener Feldschlacht zu begegnen. Aber wir sind hier nur ein paar tausend Mann. Wenn Ihr das Volk zu sehr reizt, kann es zum Aufstand kommen, und dann riskieren wir, alles zu verlieren.« Doch was redete ich überhaupt mit diesem jungen Tölpel? »Ich sehe schon, Ihr seid zu einfältig, um das zu begreifen.«
Ein hämisches Grinsen zeigte sich auf seinem Gesicht. »Ich frage mich, was gefährlicher ist. Eure Unfähigkeit als Kriegsherr oder Eure Verbrüderung mit Ungläubigen und Feinden des Grafen.« Seine Begleiter wieherten belustigt.
»Was soll das heißen?«, brüllte ich. Er sah, dass er mich gereizt hatte, und spann das gleiche Garn mit Vergnügen weiter.
»Ist nicht dieser
sarasin
ständig an Eurer Seite? Etwa, um uns auszuspionieren? Vielleicht helft Ihr ihm sogar dabei. Und noch ein Muslimweib dazu. Was habt Ihr gegen Christen? Sind wir Euch nicht gut genug?«
»Sie war mehr Christin, als Ihr es jemals sein werdet«, presste ich hervor. Es gelang mir nur mit Mühe, nicht in sein dreistes Gesicht zu schlagen.
»Ach ja. Ich habe gehört, sie ist von Euch gegangen. Das ist gut. Vielleicht können wir dann wieder auf Eure Treue hoffen.«
»Auf meine Treue ist Verlass.« Mir pochten die Schläfen. Der Zorn hatte mir inzwischen den Verstand geraubt, da sah ich ihn plötzlich wieder mit vollgepissten Beinkleidern vor mir, und so sagte ich etwas, das ich später bitter bereuen sollte. »Aber was ist denn mit dir, Bürschlein?«, lärmte ich höhnend. »Ein Löwe mit dem Maul, doch wenn’s heiß hergeht, dann machst du dir in die Hosen, du Memme!« Ich ergriff den nächsten Becher und goss ihm den Inhalt ins Gesicht.
Damit drehte ich mich um und marschierte in Richtung des Portals. Ich hatte vor, die Wache zu rufen, um die Kerle aus der Halle werfen zu lassen.
Hinter mir war es still geworden. Zu still.
Wir Provenzalen sind als Heißsporne berüchtigt. Ebenso flink mit der Zunge wie mit der Waffe, so sagt man uns nach. Deshalb sollte man keinen Mann von Ehre einen Feigling nennen, am wenigsten einen aus dem Süden, außer man ist bereit, ihn auch zu töten. Und dem Kerl den Rücken zuzukehren, das war wirklich unverzeihlich.
Kaum war mir dies bewusst geworden, da hörte ich das scharfe Geräusch eines Schwerts, das aus der Scheide gerissen wurde, ein Krachen, als der schwere Stuhl umstürzte, das Poltern von Stiefeln, die mir hastig folgten. Ricard schloss in Windeseile zu mir auf, und ich fühlte mich nackt wie ein Säugling, denn ich selbst war ohne Waffe.
»
Putan,
du nennt mich einen Feigling?«
Ich hatte kaum Zeit, zur Seite zu springen, da spürte ich schon den Luftzug seiner Klinge auf der Wange, die mich nur um Haaresbreite verfehlte.
Sein Schwung hatte ihn an mir vorbeigetragen. Nun drehte er sich blitzschnell um. Er war rasend vor Wut. Wein tropfte ihm vom Gesicht. Dass ich unbewaffnet war, schien ihn nicht zu stören, denn er griff wieder unverzüglich an und versuchte, mich mit einem mächtigen Stoß zu durchbohren. Diesmal stach das Schwert ein Loch in meine Tunika. Doch im letzten Augenblick hatte ich meinen Oberkörper wegdrehen können. Fast wäre es mir dabei
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