Der Bastard von Tolosa / Roman
über den anderen. Wenn sich jeder so verhält, ist euer Haufen unbezwingbar!« Sicher hatte Arnaud ihnen das schon hundertmal eingebleut, aber es schadete nichts, es auch von mir zu hören. »Seid wachsam und misstrauisch, Männer, und niemals zu siegesgewiss. Erinnert euch an das Sprichwort:
Sorglos ist der Narr, bis sie ihn am Arsch haben.
«
Jetzt lachten alle. Und dann überraschten sie mich.
»Wir werden deine Frau rächen,
castelan!
«, schrie in vorderster Reihe ein junger Kerl. Alle brüllten Zustimmung und reckten die Speere in die Höhe. Plötzlich trommelten sie mit den Schäften auf ihre Schilde und schrien: »
Domna
Noura!
Domna
Noura!« Ich spürte einen Kloß im Hals und wusste nichts zu sagen. Dann gingen die Rufe über in
»Dieu lo vult!«
und den Schlachtruf »Tolosa! Tolosa!«.
Mit schwerem Herzen wandte ich mich ab und ritt langsam zurück zur Burg.
***
Es war bereits später Vormittag, und in der Schreibstube erwarteten mich Zahl- und Quartiermeister. Die Verwaltungsfragen, die sich während meiner Abwesenheit angesammelt hatten, ließen sich nicht länger aufschieben.
Der Zahlmeister war Bruder
Albertus, weißhaarig und klapperdürr, immer etwas vornübergebeugt und kurzsichtig blinzelnd, wahrscheinlich von den vielen Stunden, die er über seine Bücher gebeugt zubrachte. Dieser Mönch verwaltete die Geldmittel, die Bertran uns zuteilte, und so schwach und alt er körperlich wirkte, umso knauseriger, dickköpfiger und unbeugsamer war sein Wesen. Jede einzelne Kupfermünze, die man ihm mühsam entrang, schien ihn persönlich zu schmerzen, und er wehrte sich mit solcher Kraft und Ausdauer, dass es seine schwächliche Erscheinung Lügen strafte.
Dagegen standen die Forderungen des Byzantiners Philippos, ein Eunuch von mächtigem Leibesumfang, der sich gern in lange, kostbare Gewänder kleidete und dessen beringte Hände beim Reden immer in Bewegung waren. Bei den Festungsbauarbeiten hatte er die Versorgung mit Baugut geleitet, Verhandlungen mit Schiffsführern und Fuhrleuten geführt und Steinmetze und Handwerker eingeteilt und beaufsichtigt. Er war ein äußerst fähiger Verwalter. Nach Fertigstellung der Burg war er geblieben und kümmerte sich nun um die Unterkünfte von Mann und Tier und alles, was auf der Festung gebraucht wurde.
In der Schreibstube war eine heftige Auseinandersetzung zwischen beiden im Gange. Erregt zählte Philippos an den Fingern eine lange Liste von Dingen auf, die er dringend benötigte. Bruder Albertus hielt die Arme verschränkt und starrte aus dem Fenster, als ob ihn das alles nichts anginge. Als ich eintrat, verstummten sie plötzlich, und Philippos sah mich unsicher an.
»
Castelan,
wir haben von Eurem Unglück …«
Ich machte eine ungeduldige Handbewegung. Diese ständigen Beileidsbekundungen konnte ich nicht mehr ertragen. Philippos seufzte unglücklich, während Bruder
Albertus steif dastand und mich ernst und abwartend musterte.
»Was liegt an?«, fragte ich, und der Eunuch begann als Erster sein Klagelied. Noch einmal zählte er auf, was gebraucht wurde, um seine Aufgaben zu erfüllen und die Mannschaften zu verköstigen. Albertus unterbrach in kaltem Ton und behauptete, es seien keine weiteren Mittel vorhanden. Ich griff ein, und nach mehr als einer Stunde zähen Ringens hatten wir Bruder Albertus endlich so weit, Gelder für das Nötigste an Baumaterial für Ausbesserungen, neuen Fässern, Tierfutter, Verpflegung und zusätzlichen Waffen herauszugeben. Das war erschöpfender als ein Nachmittag auf dem Übungsplatz.
Schließlich ließ ich die beiden Streithähne allein und überquerte den Burghof, um Adela zu suchen, denn seit dem Vorabend hatten wir uns nicht gesehen. Fast war ich an den Durchgang gelangt, der in einen zweiten Innenhof führte, als ich plötzlich mehrere Pferde bemerkte, die an ein Geländer vor der großen Halle angebunden waren. Das war ungewöhnlich, denn laut Festungsregel mussten alle Reittiere sofort in die Stallungen gebracht werden. Und dann erkannte ich das Zeichen von Ricard de Peyregoux auf dem Schild, der am Sattelknauf eines der Pferde baumelte.
Sofort kam mir die Galle hoch. Das war die Gelegenheit, jetzt gleich mit diesem anmaßenden Flegel abzurechnen. Nicht ahnend, welche Folgen dies später für mich und andere haben würde, sprang ich die wenigen Stufen hinauf und stieß wütend die schwere Doppeltür zur Fürstenhalle auf.
In Bedrängnis
Sancta Balbina, beschützt vor Kropf und Halsleiden
Quinta Feria,
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