Der Bastard von Tolosa / Roman
Ich ließ mich nieder und streckte die Beine unter den Tisch. Während ich die beiden Kleinen beim Spiel beobachtete, kam mir plötzlich siedend heiß die Frage in den Sinn, was aus Adela geworden wäre, wenn Ricard mich heute getötet hätte. Bisher hatte ich mir über solche Dinge nie Sorgen machen müssen, denn Adela hatte ihre Mutter, und beider Auskommen war durch unser Anwesen mehr als gesichert gewesen. Aber nun hatte sie nur noch mich, und bei meinem Handwerk konnte mir jederzeit etwas zustoßen. Ein neuer, beunruhigender Gedanke.
»Wo ist Adela?«, fragte ich. Euthalia hantierte an einem Topf, der über der Feuerstelle im Kamin hing.
»Nach dem Mittagsmahl hat sie mit den Kindern gespielt. Sie schien ein wenig still, aber sonst guten Mutes. Vielleicht ist sie auf dem Wehrgang und wird bald zurückkommen.«
Ihre Gelassenheit beruhigte mich. Ich sah mich um. Die Räume wirkten freundlich und sauber. An der Wand hing ein schlichtes Kreuz. Darunter ein herrliches, auf Holz gemaltes Marienbild in kräftigem Braun, Rot und Gold, wie man sie bei den Byzantinern findet. Euthalia nahm meinen Teller und füllte ihn aus dem Topf über der Feuerstelle. Bald dampfte eine Suppe vor mir, mit Gemüse und dicken Fleischbrocken darin. Ich schlürfte vorsichtig.
»Das arme Kind ist ganz durcheinander«, seufzte sie. »Aber was soll man anderes erwarten?« Sie schnitt ein dickes Stück Brot ab und hielt es mir hin. »In ein paar Wochen wird es ihr bessergehen, du wirst sehen.«
Und mir? Würde es mir in ein paar Wochen bessergehen? Ich bezweifelte das. Aber für den Augenblick genoss ich die Suppe und kaute auf dem Brot. Es schien, als hätte ich seit Ewigkeiten nichts im Magen gehabt.
»Ich habe von einem hässlichen Streit in der Halle gehört. Was ist geschehen?«, fragte Euthalia.
Neuigkeiten verbreiten sich auf einer Festung in Windeseile, fast wie am Flussufer, wenn die Dorfweiber ihre Wäsche bearbeiten.
»Peyregoux und sein Gefolge von Taugenichtsen betranken sich in der
aula magna.
Es kam zu einem Wortwechsel, und der kleine Bastard griff mich mit dem Schwert an.«
Euthalias Finger formten unwillkürlich die
corna,
das Zeichen gegen Unheil jeder Art. »Dieser Mann ist mir unheimlich. Er zieht das Böse an. Man sieht es an seinen Augen. Besser, du bleibst ihm fern.« Dann bekreuzigte sie sich. »Womit hast du ihn denn so gereizt?«
»Nichts«, murmelte ich verlegen. »Es ging um Kyriacos.« Dass ich Ricard selbst herausgefordert hatte, verschwieg ich.
»Ah! Verstehe.«
»Sie waren betrunken und hätten mich zu dritt fast umgebracht. Gottlob kam Hamid dazwischen.«
»Mon Dieu, mon Dieu!«
Auf ihrem runden Gesicht stand die Sorge geschrieben. »Ich bin froh, dass du heil davongekommen bist. Adela, das arme Kind, sie braucht dich jetzt. Sei auf der Hut, Jaufré! Der Mann scheint mir rachsüchtig zu sein und hinterhältig.«
»Vielleicht stört ihn nur mein Gesicht«, tat ich grinsend ab. Ricards Bemerkung, dass mein Tod ihm Gold wert sei, hatte ich in der Aufregung über den Kampf längst vergessen.
»So einer hasst jeden. Am meisten sich selbst. Sieh, was er mit dem Griechen angestellt hat. Wie gotterbärmlich hat der arme Mann geschrien. Es war nicht zu ertragen.« Sie bekreuzigte sich. Dann füllte sie mir Suppe nach. Eine Weile schwiegen wir und vermieden es auch, über Noura zu sprechen.
»Habt ihr ein Haus gefunden?«, fragte ich schließlich, um etwas zu sagen. Auch Euthalia wollte nicht länger als nötig in der Festung wohnen, wie ich wusste.
»Vielleicht. Da sind noch ein paar arabische Herrenhäuser, die leer stehen. In der Stadt selbst, innerhalb der Mauern. Dort fühle ich mich sicherer.«
»Werdet ihr bleiben?«
»Hier in Tripolis? Wer weiß? Zuerst wollte Arnaud sich etwas beweisen, als er
Coms
Raimon folgte. Nun scheint er hier zufrieden zu sein.«
»Du nicht?«
»Als ich damals mit Arnaud ging, dachte ich nicht viel nach. Wir hatten auch noch keine Kinder. Ich war nur verliebt. Und die Liebe fürchtet keine Gefahr, Jaufré, oder?«
»Nein, die Liebe fürchtet keine Gefahr«, wiederholte ich gedankenverloren. »Und so bist du also hier gelandet.«
Sie schaute auf ihre Hände. Es waren die roten Arbeitshände einer Mutter. »Das hier ist nicht wirklich unsere Heimat, oder?«
»Was fehlt dir?«
Sie lachte. »Jaufré! Bist du einfältig? Weißt du nicht, wo ich herkomme? Konstantinopel, mein Gott! Die größte und schönste Stadt der Welt. Dagegen ist dies hier ein Drecksloch. Aber ich
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